Das Ohr im Wasserkraftwerk: Landsvirkjun und Voith starten gemeinsames Pilotprojekt in Island
Der staatliche isländische Energiekonzern Landsvirkjun und Voith haben ein gemeinsames Pilotprojekt zur intelligenten Geräuschanalyse in Wasserkraftwerken gestartet.
Das Wasserkraftwerk Budarhals in Island. (Foto: Voith)
Dabei rüstet Voith das Kraftwerk Budarhals in Island mit einem akustischen Überwachungssystem aus, das Abweichungen der Turbinengeräusche vom Normalzustand erkennen und mögliche Stillstände frühzeitig verhindern soll. Durch die kontinuierliche Datenanalyse der Maschinendaten soll zudem eine optimierte Betriebsweise und die intelligente Planung von Wartungsarbeiten ermöglicht werden. Die Inbetriebnahme des Systems erfolgt im September 2018.
Turbinenschäden frühzeitig erkennen
„Im Kraftwerk Budarhals setzten wir ein System ein, das den akustischen Zustand der Maschinen permanent bewertet“, erklärt Bastian Berg, Projektleiter und Experte für Automatisierung und Datenanalyse bei Voith Digital Solutions. „Durch die Nutzung von künstlicher Intelligenz wird das System die bestehende menschliche Überwachung der Kraftwerksanlage sinnvoll ergänzen und potenzielle Maschinenschäden frühzeitig erkennen.“ Dafür werden an verschiedenen Stellen im Kraftwerk Mikrofone angebracht, die jedes Umgebungsgeräusch aufnehmen und in der sogenannten Voith-Bluebox zur Datenvorbehandlung speichern. Die finale Dateninterpretation wird anschließend über eine gesonderte Voith-Plattform vorgenommen. Zur Kalibrierung erfasst das System unter Berücksichtigung strenger Datenschutzrichtlinien in einer ersten Lernphase alle akustischen Signale. Die gesammelten Daten werden anschließend mit denen anderer Wasserkraftwerke verglichen. Durch die Kombination mit den Betriebsdaten lernt die Anwendung, welche Geräusche dem normalen Maschinenverhalten entsprechen. In der zweiten Lernphase ist das System in der Lage Abweichungen vom typischen Geräuschmuster sofort zu erkennen. In diesem Fall sendet das System eine Warnung aus und benachrichtigt gleichzeitig einen Servicetechniker des Kraftwerkbetreibers.
Datenbasierter Service für optimierte Betriebsweise und Wartung
Bei dem Pilotprojekt im isländischen Wasserkraftwerk Budarhals testet Voith erstmalig ein neues Dienstleistungsmodell für seine Geräuschmusteranalyse. Diese basiert auf einem datenbasierten Ansatz und soll Kraftwerksbetreiber bei der Optimierung von Wartung und Betriebsweise unterstützen.
„Nachdem das System im Kraftwerk installiert ist, erwarten wir in der Anfangsphase täglich zwischen 10 und 15 unbekannte Umgebungsgeräusche. Diese müssen zunächst manuell bewertet und dokumentiert werden“, erklärt Bastian Berg. „Das System lernt dazu und wird mit der Zeit immer intelligenter.“ Um den Aufwand für den Kunden möglichst gering zu halten, setzt Voith bei diesem Pilotprojekt auf einen 24/7-Service, bei dem die unbekannten Geräusche innerhalb kürzester Zeit von einem Voith-Experten bewertet werden. Sollte das Geräusch auf einen kritischen oder untypischen Maschinenzustand hindeuten, wird umgehend die Leitwarte des Kunden informiert.
Im weiteren Verlauf des Pilotprojekts soll das System immer eigenständiger arbeiten und mehr Geräusche erkennen. In Kombination mit verschiedenen Kennzahlen werden die gewonnenen Daten anschließend von den Voith-Experten und einem Team von Datenanalysten auf komplexe Zusammenhänge untersucht und bewertet. Die Ergebnisse werden anschließend dem Kraftwerksbetreiber zur Betriebs- und Wartungsoptimierung in Form eines regelmäßigen Berichts bereitgestellt. Die Inhalte des Berichtes werden kontinuierlich an die Kundenbedürfnisse angepasst und der Mehrwert wird gemeinsam mit dem Kunden verifiziert. „In Zukunft können wir Betreibern von Wasserkraftwerken durch unsere Geräuschmusteranalyse beispielsweise sagen, wann der perfekte Zeitpunkt für den Wechsel mechanischer Ersatzteile ist. Wartungsarbeiten und anstehende Reparaturen können damit transparent und sehr effizient geplant werden“, so Bastian Berg.
Über das Kraftwerk Budarhals
Das Kraftwerk Budarhals wurde offiziell im Jahr 2014 eingeweiht und verfügt über eine installierte Leistung von 95 Megawatt. Es verfügt über eine Kapazität von circa 585 Gigawattstunden pro Jahr. Voith hat in der Anlage zwei moderne umweltfreundliche Kaplanturbinen mit wassergefüllten Laufradnaben sowie modernste Generatoren mit speziell entwickelten bürstenlosen und thyristorgesteuerten Erregersystemen mit Bluetooth installiert. Neben den Hauptkomponenten der elektromechanischen Ausrüstung und der Steuersysteme, lieferte Voith auch die Krananlagen für das Maschinenhaus des Kraftwerks.
Mit dem aktuellen Pilotprojekt setzt Voith seine lange geschäftliche Tradition in Island erfolgreich fort. Bereits 1912 führte das Unternehmen die erste vollständige Turbineninstallation im Kraftwerk Fjardarsel durch. Die Anlage hat eine Kapazität von 550 kW, wird von einer horizontalen Francis-Turbine angetrieben und ist das älteste noch in Betrieb befindliche Kraftwerk Islands.
Quelle: Voith GmbH & Co. KGaA