Industrielle Prozessanlagen: Mit alternativen Analyse- und Prüfverfahren unnötige Stillstandszeiten vermeiden

11.11.2016

Im Rahmen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sind wiederkehrende Prüfungen an überwachungsbedürftigen Anlagen vorgeschrieben. Zudem müssen Betreiber oft umfangreiche Wartungs- und Reparaturmaßnahmen durchführen, weil Verschleißerscheinungen auftreten. Die Folge: Unternehmen fahren ihre Produktion regelmäßig für einen gewissen Zeitraum herunter.

Industrielle Prozessanlagen: Mit alternativen Analyse- und Prüfverfahren unnötige Stillstandszeiten vermeiden

Mit alternativen Analyse- und Prüfverfahren unnötige Stillstandszeiten von Prozessanlagen vermeiden (Foto: TÜV Nord AG)

Die Kosten für solche Stillstände sind zwar längst einkalkuliert, nach Erkenntnissen von TÜV Nord lassen sich jedoch sowohl die Dauer als auch die Kosten des Stillstands reduzieren und dessen genauer Zeitpunkt kann oftmals flexibler festgelegt werden.

Die Prüfung der Betriebssicherheit sowie Reparatur- und Wartungsmaßnahmen gehen für industrielle Prozessanlagen oft mit einem Stillstand der Produktion einher. Dieser verursacht zwangsläufig hohe Ausgaben. „Wenn es um gesetzliche Prüfungen geht, fällt der größte Teil der Kosten gar nicht für die Prüfungen selbst an. Oft erzeugt schon der Produktionsausfall allein immense Umsatzverluste. Daher ist jeder Tag ohne Stillstand wertvoll“, erläutert Susanne Magiera, Expertin für Druckbehälteranlagen bei TÜV Nord. Der Prüfdienstleister rät allen Anlagenbetreibern die seit 2015 neu geschaffenen Möglichkeiten innerhalb der BetrSichV zu nutzen und in diesem Zusammenhang ein Prüfkonzept für ihre prüfpflichtigen Druckanlagen zu erstellen. Im Rahmen eines solchen Konzepts können alternative Prüfmethoden festgelegt werden, die es erlauben, dass die Anlagenteile zur Prüfung weder geöffnet, geleert, gereinigt, gegebenenfalls gasfrei gemacht oder Isolierungen entfernt werden müssen. Betreiber müssen diese Einschätzung von einer zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) wie TÜV Nord bestätigen lassen. Ist das Konzept zulässig, können diese Prüfmethoden zum Einsatz kommen. Mit ihnen wird der Anlagenstillstand verkürzt oder gar ganz vermieden. „Durch unsere langjährigen Erfahrungen können wir die breite Palette alternativer Prüfverfahren auch in ganz besonderen Fällen – wie zum Beispiel bei sehr geringen Materialdicken – einsetzen. Damit sinken die Ausgaben bei erforderlichen Prüfungen erheblich und Unternehmen vermeiden Umsatzverluste durch überflüssige Stillstandstage“, ergänzt Magiera.

Schadensvorsorge und Schadenstoleranzanalyse

Einen wichtigen Beitrag in beanspruchten Prozessanlagen kann auch die Schadensvorsorge leisten. „Schon durch kleine Veränderungen – wie zum Beispiel das Umsetzen der Halterung einer Rohrleitung oder die Anpassung des Förderstroms einer Pumpe – lassen sich manche Schäden in Anlagen vermeiden“, so Magiera. Wenn belastete Komponenten wie Pumpen, Flansche, Wandungen oder Schrauben durch Verschleiß- oder Alterungserscheinungen sowie Temperatur- und Druckschwankungen bereits Schädigungen aufweisen, werden sie oft zügig ausgetauscht. Mithilfe einer Befundbewertung kann die zulässige Betriebsdauer von beschädigten Komponenten und Anlagenteilen ermittelt werden, so dass ein notwendiger Stillstand an den Betriebsablauf optimal angepasst und gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden kann. Mithilfe der Schadenstoleranzanalyse können flexible, fahrweisenabhängige Inspektionsintervalle ermittelt werden. Diese Methode ist eine Möglichkeit für die Verlängerung von Inspektionsintervallen gemäß BetrSichV. Darüber hinaus ermöglicht die Methode eine maximale Ausnutzung der Lebensdauer aller Komponenten, ohne Abstriche an der Anlagensicherheit zu machen. Dadurch kann ein vorzeitiger Komponentenaustausch vermieden werden.

Einsatz innovativer Robotertechnik

In schwer zugänglichen Anlagenbereichen können Technologien und Berechnungsprogramme eingesetzt werden, die dem Betreiber aufwändige bauliche Maßnahmen und vor allem Zeit ersparen. So gibt es Molche, die in Rohren wie Dükerleitungen und Druckrohren Daten sammeln. Crawler bewegen sich ferngesteuert über magnetische Räder an schwer zugänglichen und gefährlichen Stellen – wie zum Beispiel dünnwandigen Tankdächern – um Materialdicken aufzunehmen. Mit Flugrobotern werden unzugängliche Stellen auf mögliche Schäden überprüft. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen können über 3D-Drucker plastisch dargestellt werden.

Potenzial zu selten abgerufen

Doch die Vorteile dieser Methoden sind nach Erkenntnissen von TÜV Nord noch nicht hinlänglich bekannt. Magiera berichtet: „Insbesondere im Austausch mit mittelständischen Betreibern hören wir immer wieder, dass es eine Herausforderung darstellt, die personellen und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sich mit dem Thema ausführlicher zu beschäftigen. Dabei gibt es – gerade im Mittelstand – noch viel ungenutztes Potenzial, um Stillstandszeiten zu verringern und optimal zu planen.“

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