Der Verzopfung die Stirn bieten: Feuchttücher sind der Feind jeder Abwasserpumpe
Ein dicker Strick aus Tüchern – das legt selbst die stärkste Abwasserpumpe lahm. Er entsteht aus Feuchttüchern. Und das wird hierzulande immer beliebter. Xylem hat ein Mittel dagegen.
Der Abstreifer (rot) am Laufrad sorgt dafür, dass Feuchttücher rasch durch die Pumpe transportiert werden: ein probates Mittel gegen die Verzopfung. (Foto: Xylem)
Deutsche sind fleißig, humorlos und – reinlich. Drei Vorurteile, die wohl gar keine sind. Zumindest das letzte Attribut trifft zu. Da muss man sich, aus manchem Auslandsurlaub zurückgekehrt, nur mal auf den Straßen umschauen.
Reinlich, das gilt auch auf der Toilette. Wo andere Länder zum „Nachsäubern“ einen Duschkopf neben das stille Örtchen hängen (Skandinavien) oder die Dusche gleich in die Kloschüssel einbauen (Japan), nutzen Deutsche, Amerikaner und inzwischen etliche andere Nationen Feuchttücher. Sie duften, versprechen teils sogar einen Creme-Effekt – und sind der Feind jeder Abwasserpumpe.
Denn im Unterschied zu den größeren Babyfeuchttüchern, die meist mit der Windel zusammen im Abfall entsorgt werden, landen die vermeintlich kleineren Klopapier-Feuchttücher in der Kanalisation. Als der Boom begann, mussten die Klärmeister erst einmal herausfinden, was das ist: ein taudicker Zopf aus undefinierbaren Fasern, der sich um das Laufrad wickelte.
Die Pumpe lief heiß, wurde blockiert. Denn „feuchtes Klopapier“ ist – anders als der häufig verwendete Begriff sagt – meist kein Papier. Sondern Vlies. Während sich feuchtes Papier zersetzt und daher in der Toilette ungestraft heruntergespült werden darf, ist dieser Effekt bei Feuchttüchern gerade nicht erwünscht. Sie sollen ja „was aushalten“. Und gehören daher nicht in die Toilette.
Das weiß auch Jörg Wittig, Betriebsleiter bei awean, der Abwasserentsorgung des mittelfränkischen Städtchens Ansbach. Immer häufiger wurden die Verstopfungen bei einigen Pumpwerken der awean. Immer häufiger war der Störungsdienst gefragt, um Pumpen von den widerstandsfähigen Rückständen zu reinigen.
Wittig blickt zurück: „Bis zu zweimal pro Woche rückten meine Leute aus, um die Pumpen von Hand zu reinigen.“ Man wird ja schon sonst kaum um den Job im Sektor Abwasser beneidet. Um diese unangenehme Tätigkeit bestimmt nicht. Die „Verzopfung“, die die Pumpen blockiert, ist besonders hartnäckig, weil die verdrillten Feuchttücher durch angelagerte Fette besonders stark aneinanderhaften.
Manche Klärwerker haben nun aufgerüstet, mit stärkeren Pumpen, die die Feuchttücher schlucken. Hoffentlich. Auch Wittig suchte nach brauchbaren Mitteln, um der häufigen Verstopfung Herr zu werden. Etwa im Pumpwerk im Ortsteil Wolfartswinden. Acht Jahre schon liefen dort zwei Tauchmotorpumpen mit beschichteten Laufrädern, zunächst einwandfrei. Dann kam es immer häufiger zur Verzopfung. Wittig versuchte es mit dem Austausch einiger Komponenten – doch immer noch musste der Störungstrupp ran.
Viele Klärwerker rüsten auf – Awean versuchte es mit Abstreifern. Erfolgreich.
Awean wendete sich an Xylem. Dort hatte man eine Lösung. Die Abwasserspezialisten empfahlen die neueste Entwicklung: Laufräder mit sogenannten Abstreifern. Zwar gelingt es auch diesem Abstreifer nicht, die Vliesfasern zu durchtrennen. Doch er verhindert die Verzopfung – einfach, indem er den Feuchttüchern schneller durch das Laufrad verhilft. Awean testete die Technik – und konnte rasch feststellen: Sie greift. „Die Zahl der Einsätze aufgrund von Verstopfungen durch Feuchttücher verringerte sich sofort“, berichtet Klärmeister Wittig. „2014 und 2015 kam es zu keinem einzigen Vorfall mehr.“ Daraufhin baute awean auch das Pumpwerk Wallersdorf um, das ca. 600.000 Kubikmeter Abwasser pro Jahr zur Zentralkläranlage fördert.
Und wieder konnte sich die Klärwerksmannschaft über mehr freie Feierabende und Wochenenden freuen. Nun hofft Jörg Wittig, dass er nicht auch die weiteren 26 Pumpen des Ansbacher Kommunalunternehmens aufrüsten muss.
Um das zu vermeiden, sollte er die rund 40.000 Einwohner, für die awean die Abwässer entsorgt, zum Verzicht auf Feuchttücher bewegen – oder dazu, zumindest das Kleingedruckte zu lesen. Auf den Verpackungen steht es nämlich: Nicht mehr als ein Feuchttuch gleichzeitig runterspülen. So versichern sich die Hersteller gegen Ansprüche – und die Kosten bleiben beim Abwasserentsorger hängen.