8. OWL Abwassertag in Steinhagen
Zum achten Mal lud der Pumpenhersteller Pentair Jung Pumpen interessiertes Fachpublikum zum jährlich stattfindenden OWL Abwassertag nach Steinhagen ein. Die hochkarätig besetzte Veranstaltung mit dem diesjährigen Titel „Abwasser unter Druck“ beschäftigte sich mit dem Thema Druckentwässerung und lockte 160 Besucher aus ganz Deutschland nach Ostwestfalen Lippe (OWL).
Erfahrungsaustausch beim 8. OWL Abwassertag (Foto:Pentair Jung Pumpen)
Die Referentinnen und Referenten aus Forschung und Praxis betrachteten die Druckentwässerung aus verschiedenen Blickwinkeln und lieferten facettenreiche Einblicke.
Potentiale der Druckentwässerung
Marco Koch, Leiter der Verkaufsförderung bei Gastgeber Jung Pumpen, gab einen kurzen Abriss über die Geschichte der Druckentwässerung. Das Verfahren hat in Deutschland Tradition. Erstmals wurde es 1968 in größerem Umfang in Hamburg angewendet, inzwischen sind bundesweit etwa 350.000 bis 400.000 Pumpstationen im Einsatz. Seit mehr als 30 Jahren bietet der Steinhagener Pumpenhersteller Schacht-, Pumpen- und Steuerungstechnik an. Nach dieser langen Zeit liegen die Potentiale nun in der Sanierung, denn der „Zahn der Zeit“ hat den Anlagenkomponenten zugesetzt. Für Druckentwässerungsschächte aus Kunststoff trifft das nicht zu. Sie sind korrosionsfest und haben daher kein Alterungsproblem. Ganz anders sieht es bei dem Schachtinnenleben aus. Oft ist dieses korrodiert und muss ersetzt werden. Dieser Ausgangslage tragen Austauschsets Rechnung. Sie bestehen aus Traverse, Kupplung, Kugelhahn und Rückschlagventil. Alle Komponenten sind aus korrosionsfesten Materialien (Kunststoff und Edelstahl) und können komplett gegen die alten Schachtinnereien ausgetauscht werden. Da sowohl der Kunststoffschacht als auch die Pumpe erhalten bleiben, ist die Investition für das Set und den Umbau eher gering. Der Austausch der Traverse mitsamt der Peripherie kann mit geringsten Flurschäden erfolgen, da allenfalls der Druckrohranschluss – sofern er außerhalb des Schachtes erfolgt – kleinere Erdarbeiten erfordert.
Dichtheitsprüfung von Druckleitungen - geht das?
Lassen sich Druckleitungen prüfen und wo liegen die Besonderheiten? Diese Frage warf Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.- Ing. Sissis Kamarianakis vom Institut für Unterirdische Infrastruktur (IKT) auf. Hierzu wird am IKT intensiv geforscht und folgende Erkenntnisse lassen sich zusammenfassen: Es gibt verschiedene Verfahren zur Dichtheitsprüfung von Druckleitungen aber keine klaren Regelwerke zur Sanierung. Auch sind die Prüfverfahren nicht immer anwendbar, z.B. weil der vorgeschriebene 1,5 fache Systemdruck womöglich die Leitung beschädigt oder die Prüfung schlicht zu zeitaufwendig ist. Da Druckleitungen dem Geländeverlauf angepasst sind, gibt es viele Hoch- und Tiefpunkte oft aber keine Be-und Entlüftungsventile , so dass Lufteinschlüsse die Prüfergebnisse verfälschen. Inspektionsöffnungen sind selten und so beschränken sich die Inspektionen im Regelfall auf die Pumpstationen. Häufig handelt es sich um kilometerlange Leitungen, deren genauer Verlauf nicht immer bekannt ist. Auch sind vorhandene Inspektionstechniken aus dem Freispiegelbereich in der Regel nicht übertragbar, da diese häufig erst ab DN 200 und damit nicht in den in den dünnen Druckleitungen einsetzbar sind. An verkürzten und optimierten Prüfverfahren wird derzeit gearbeitet.
Auf die Pflege kommt es an
Das Einzugsgebiet des Brandenburgischen Herzberger Wasser- und Abwasserzweckverbandes (HWAZ) ist eine ländlich geprägte und vom Bevölkerungsrückgang stark betroffene Region. Mit der Einwohnerzahl sank auch die jährliche Wasserabgabe, während die Kosten für die Infrastruktur gleich blieben. Dennoch mussten Spitzenlasten bedient werden, was laut Verbandsvorsteher Mario Kestin zwangsläufig Preissteigerungen nach sich zog und ein Umdenken erforderte. Unter Berücksichtigung der Investitions- und Folgekosten rechnete sich die Druckentwässerung für den HWAZ und so wurden von 1997 bis 2001 über 158.000 m Druckleitungen verlegt, 181 Haupt- und Zwischenpumpstationen sowie 765 Hauspumpstationen errichtet. Aus deren Instandhaltung und Pflege liegen folgende Erfahrungen vor: Nicht die Länge von Druckleitungen ist entscheidend für das Auftreten von Verstopfungen, sondern z.B. zusätzliche Sonderbauwerke (Düker) oder auch nicht genutzte Hausanschlussdruckleitungen. Als Konsequenz daraus werden inaktive Hausanschlüsse nachträglich abgesperrt bzw. vor Wiederinbetriebnahme entsperrt und entlüftet sowie verstopfungsgefährdete Sonderbauwerke regelmäßig gespült. Kompressorstationen spülen automatisch die Druckleitungen und verhindern so Ablagerungen sowie Geruchsbelästigungen am Druckleitungsende. Die Haupt- und Zwischenpumpwerke unterliegen einer 14- tägigen optischen Kontrolle vor Ort und eine jährliche Zustandsanalyse gibt Aufschluss über den Handlungsbedarf.
Abwasserpumpen - alles Öko oder was?
Bevor Prof. Dr.-Ing. Paul Uwe Thamsen vom Institut für Strömungsmechanik der der TU Berlin auf europäische Ökodesign-Richtlinie zu sprechen kam, ging es zunächst um Müll im Abwasser und dessen Auswirkungen auf die Abwasserinfrastruktur. Das Team um Professor Thamsen hat eine zunehmende Verstopfungshäufigkeit von Abwasserpumpen festgestellt und sieht hier einen klaren Zusammenhang zu einem stark wachsenden Anteil an Vliesstoffen wie Feucht-, Wisch- und Reinigungstüchern im Abwasser. Hier kommt die europäische Ökodesign-Richtlinie ins Spiel. Ihr unterliegen alle energiebetriebenen Produkte die europaweit ein Marktvolumen von mehr als 200.000 Stück besitzen, von denen erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen und die ein hohes Potential bei der Verbesserung der Umweltverträglichkeit aufweisen, - mit anderen Worten auch Abwasserpumpen. Haben diese einen geringen Energieverbrauch, so erfüllen sie die europäischen Anforderungen. Die Funktionalität der Pumpen wird dabei nicht betrachtet. Dies würde in der Konsequenz das Aus für Freistromradpumpen bedeuten, obwohl diese, gerade mit Blick auf die Faserstoffe im Abwasser, technisch viel besser geeignet wären. Allein die schlechtere Energieeffizienz gegenüber z.B. Kanalradpumpen würde sie disqualifizieren. Diesen Missstand will Prof. Thamsen nicht hinnehmen und führte mit synthetischem Abwasser (abgeleitet aus Rechengutanalysen von Klärwerken) eine Funktionsprüfung für Abwasserpumpen durch. Diese Prüfung ergab, dass mit steigender Verschmutzung des Abwassers der Wirkungsgrad von Kanalradpumpen sinkt, während der von Freistromradpumpen steigt, obwohl diese weniger energieeffizient sind. Eine Erkenntnis, die nach Meinung von Professor Thamsen die Brüsseler Energiekommissare keinesfalls außer Acht lassen sollten.
Satzungsregelungen - welche sind sinnvoll, welche nicht?
Rechtsanwältin Daniela Deifuß-Kruse von BRANDI Rechtsanwälte in Paderborn führte zu Sinn und Unsinn von Regelungen in Entwässerungssatzungen im Bereich der Druckentwässerung aus. Insbesondere die Satzungsregelungen zur Wartung der privaten Anlagenteile sind oftmals entweder realitätsfremd und unpraktisch oder rechtlich fragwürdig. Soweit beispielsweise gefordert wird, dass der Grundstückseigentümer einen Wartungsvertrag mit einem Fachunternehmer abschließen muss, der eine Wartung der Druckpumpe entsprechend den Angaben des Herstellers sicherstellt, ist dies rechtlich bedenklich. Zum einen kann der Anlagenbetreiber nur solche Regelungen treffen, die zum Schutz des Betriebs der öffentlichen Anlage wirken – dies ist aber bei dem Verweis auf Herstellerregelungen nicht gesichert. Zum anderen ist die Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten bedenklich. Die starre Regelung lässt z.B. nicht zu, dass bei eigener Fachkunde die Wartung selbst durchgeführt wird. Eine gerichtliche Überprüfung solcher Regelungen unter diesen Gesichtspunkten fehlt zwar noch – bei der Gestaltung oder Überarbeitung von Satzungen sollte jedoch nach geeigneteren und sichereren Formulierungen gesucht werden.
Das DWA Arbeitsblatt A113 ist in Bearbeitung
Prof. Dr. habil. Hartmut Eckstädt stellte das sich in Bearbeitung befindliche neue Arbeitsblatt DWA-A 113 vor, welches künftig das bisherige Regelwerk ergänzen wird. Es wurde für die hydraulische Dimensionierung und den Leistungsnachweis von Abwasserdrucksystemen außerhalb von Gebäuden entwickelt. Im Fokus stehen die abwasserspezifischen Besonderheiten von Abwasserdrucksystemen sowie die Betrachtung des Gesamtsystems. Im Anhang des Arbeitsblattes finden sich zahlreiche Hinweise zu Bemessung, Gestaltung und Betrieb sowie eine Reihe von Rechenbeispielen. Derzeit wird das Gelbdruckverfahren vorbereitet, das heißt, der Normentwurf liegt demnächst zur Prüfung und Stellungnahme vor. Laut DWA wird es künftig eine Gemeinschaftspublikation geben, die die Arbeitsblätter DWA-A 134 (Planung und Bau von Abwasserpumpanlagen), DWA-A 116 (Druckluftspülung von Abwassertransportleitungen) Teile 1-3, DWA-A 113 und die europäische Normung prEN16932 Teile 1-3 zusammenfassen soll.
Effektiv gegen Schwefelwasserstoff
Sulfide sind für die Korrosion von Pumpen, Leitungen und Schächten sowie für Geruchsemissionen verantwortlich und es gilt, diese intelligent zu reduzieren. Dr.-Ing. Ute Urban von der Energie- und Umweltberatung erklärte, dass mit zunehmender Länge von Abwasserleitungen der Sulfatgehalt abnimmt und zu Sulfid reduziert wird. Der Schwefelwasserstoff führt dann zu Geruchs- und Korrosionsproblemen. Nach modellhaften Untersuchungen präsentierte Frau Dr. Urban zwei Verfahren, die Sulfide sehr effektiv reduzieren. Zum einen hat sich die feinblasige Belüftung durch einen mit Löchern versehenen Schlauch, der direkt in die Abwasserleitung eingebracht wird, als wirksam erwiesen. Hier ist die Auswahl des Einsatzortes entscheidend. Zum anderen ist es gelungen, durch ein intelligentes Dosiersystem zur chemischen Abwasserbehandlung den Sulfidgehalt deutlich zu reduzieren. Das System, welches in Zusammenarbeit mit der ECH Elektrochemie Halle GmbH entwickelt wurde, misst den Gehalt von Schwefelwasserstoff und dosiert bedarfsgenau die Chemikalienmenge, die eine Bildung des Gases verhindert. Dadurch können Kosten gespart und eine unnötige Umweltbelastung durch Überdosierung verhindert werden.
Resümee und Ausblick
So breitgefächert wie das Publikum war auch der Blick auf das Thema, das kam bei allen Teilnehmern gut an. Vertreter von Städten und Kommunen, Zweckverbänden, Kläranlagen, Abwasser – und Umweltbetrieben sowie Planer und Tiefbauer aber auch Vertreter aus der Wissenschaft nutzten die Möglichkeit, einmal über den Tellerrand zu blicken. Auch im nächsten Jahr gibt es wieder die Möglichkeit dazu. Am 19. Januar 2017 wird der 9. OWL Abwassertag stattfinden. Themenvorschläge werden gern entgegen genommen. Im August wird das neue Programm veröffentlicht.
Quelle: Jung Pumpen GmbH