Kommunale Wärmeplanung entscheidend für das Gelingen der Wärmewende in Deutschland

12.09.2023
Die erwartete Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Deutschen Bundestag ist ein starkes Signal für klimaneutrales Heizen in unserem Land. „Die Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten hat allen Beteiligten viel abverlangt.

Das war die Sache wert, denn die Klimaneutralität in Deutschland muss das gemeinsame Ziel aller sein und bleiben, auch wenn die Auffassungen über Maßnahmen höchst unterschiedlich waren. Es ist gut und wichtig, dass die Relevanz von Wasserstoff und Biomethan nun auch im Gesetzestext gestärkt wird. Die Abstimmung im Parlament wird aber nicht das Ende aller Diskussionen zum Heizen sein. Insbesondere bei der Umsetzung richten sich alle Blicke auf die kommunale Wärmeplanung. Die Bedürfnisse der Nutzer und Verbraucher müssen im Mittelpunkt stehen. Denn die Frage, wie Deutschland in Zukunft heizt, wird konkret vor Ort und nicht in Berlin entschieden“, so Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) auf der Pressekonferenz der gat | wat in Köln, der Leitveranstaltung der Energie- und Wasserwirtschaft.
Wasserstoff und klimaneutrale Gase dürfen dann ebenso wie strombasierte Lösungen im Gebäudesektor eingesetzt werden. Dass dies gesetzlich verankert wird, versetze Deutschland unter dem Aspekt der Technologieoffenheit in die Lage, im eigenen Land eine Vielzahl an Möglichkeiten der CO2-Reduzierung auszuschöpfen, so die Beurteilung des DVGW. Mit Blick auf die außenwirtschaftliche Bedeutung konkretisiert Gerald Linke: „Als eine im hohen Maße vom Export abhängige Nation ist Deutschland darauf angewiesen, Wachstum und Wohlstand durch Spitzentechnologie und führendes Ingenieurs-Know-how mit dem Siegel 'Made in Germany' auch in Zukunft zu sichern. Diese große Chance wäre vertan worden, wenn die Bundesregierung, wie ursprünglich geplant, ausschließlich auf die Technologie der Wärmepumpe gesetzt hätte – eine Technologie, deren Einzelteile und Baugruppen schon heute zu einem erheblichen Anteil aus Fernost importiert werden.“

Kommunale Wärmeplanung und Fernwärme
Positiv hervorzuheben ist, dass insbesondere die kommunale Wärmeplanung nun eine angemessene Berücksichtigung im GEG findet. Zentrale Aspekte, die der DVGW in den vergangenen Monaten mit Versorgungsunternehmen im Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) erarbeitet hat und die nun in die Gesetzgebung eingeflossen sind, runden das deutschlandweite zusammenhängende Zielbild für eine klimaneutrale Gasversorgung ab. Der GTP ist das zentrale Planungstool für den Einsatz von Wasserstoff – und hier insbesondere im Wärmemarkt – und soll dessen Nutzung über die Gasverteilnetze für gewerbliche Kunden, Industrie und Verbraucher möglich machen.
„Es ist daher nur folgerichtig, dass das Gebäudeenergiegesetz nun eng mit der kommunalen Wärmeplanung verküpft wurde und bis dahin praktikable Übergangsregelungen gelten. Das sorgt auch dafür, die Menschen nicht kurzfristig zu überfordern mit Regelungen, die auch individuell signifikante Investitionen nach sich ziehen werden. Es ist gut, dass diesen Elementen im Gesetzestext Rechnung getragen wird. Allerdings sind die Regelungen für die Transformation von Gasnetzen nach wie vor zu kleinteilig und teils auch realitätsfern. Der DVGW erwartet daher nun von der Bundesnetzagentur, den Transformationsprozess der Gasverteilnetze hin zu Wasserstoff nicht durch restriktive Regelungen und lange Planungs- und Genehmigungsverfahren zu unterminieren“, bekräftigt Linke. Auch in der Fernwärmeversorgung werden Wasserstoff und klimaneutrale Gase eine wichtige Rolle spielen. Basierend auf der Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sind die neuen Grünen Gase nicht nur Wärmelieferant, sondern der ideale Partner im erneuerbaren Stromnetz der Zukunft.

Infrastruktur und Wasserstoff-Kernnetz
Ebenfalls begrüßt der DVGW, dass die Bundesregierung in einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes einen gesetzlichen Rahmen für die schnelle Genehmigung und den Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes vorgelegt hat. Das Backbone-Netz muss allen Regionen in Deutschland den Zugang zu klimaneutralem Wasserstoff ermöglichen, da sonst eine Abwanderung ganzer Wirtschaftszweige droht, insbesondere im Bereich des Mittelstands. In einem zweiten Schritt braucht es daher auch eine Transformationsregulierung für Gasverteilnetze. Denn ohne eine umfassende Umstellung der bestehenden Gasverteilinfrastruktur können die Anschlüsse von 1,8 Millionen Industrie- und Gewerbekunden nicht zur Klimaneutralität transformiert werden. Insofern ist es erfreulich, dass die große Bedeutung der Gasverteilinfrastruktur im Gebäudeenergiegesetz und im Wärmeplanungsgesetz bereits berücksichtigt ist. Das Energiewirtschaftsgesetz muss dem nun Rechnung tragen, indem es einen adäquaten Rechtsrahmen schafft.

Wasserversorgung zwischen Klimawandel und Klimaschutz
Die Wasserversorgungswirtschaft richtet sich im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Klimawandel neu aus. Ihr Ziel ist, Anlagen und Infrastrukturen bis 2045 klimaneutral zu stellen, um die Klimaschutzziele Deutschlands zu erreichen. „Auch wenn der Anteil der Wasser- und Abwasserwirtshaft an den emissionsrelevanten Energieverbräuche aller Produktionsbereiche in Deutschland nur ein halbes Prozent beträgt, sind wir uns unserer Verantwortung bewusst und bestrebt, diesen Anteil weiter zu senken“, betont Dr. Wolf Merkel, Vorstand Wasser des DVGW. Hierzu müssen aber stärker als bisher Verschmutzungen an der Quelle vermieden werden. Andernfalls machen aufwändige und energieintensive Verfahren in der Aufbereitung des Wassers beziehungsweise zur Klärung des Abwassers Investitionen in Energieeinsparungen zunichte. „Das Vorsorge- und Verursacherprinzip gibt bereits den rechtlichen Rahmen vor, dass Schadeinträge in die Wasserressourcen zu minimieren sind; es muss aber auch konsequent angewandt werden“, mahnt Wolf Merkel.
Gleiches gilt für die Stärkung der Resilienz sowie Anpassungen an den Klimawandel. Auch hier ist der Legalrahmen auszuschöpfen, aber auch weiter auszubauen. „Entsprechend den vorhandenen Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz muss der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung vor anderen Nutzungen stärker als bisher in der Praxis durchgesetzt werden“, fordert Merkel. Die Infrastruktur muss künftig zunehmend redundant ausgelegt werden, um den Auswirkungen lokaler oder regionaler Engpässe bei der Wasserverfügbarkeit entgegenwirken zu können. Eine gute Risikovorsorge schließt unter anderem die Stärkung und den Aus- beziehungsweise Umbau der Wasserinfrastruktur ein. Die Herstellung notwendiger überregionaler Verbindungen von Wasserversorgungssystemen über Fernwasserleitungen muss politisch unterstützt und wirtschaftlich gefördert werden. Für die stärkere Vernetzung der Infrastrukturen ist es zudem unerlässlich, dass künftig wasserbehördliche Genehmigungsverfahren verkürzt und beschleunigt werden. „Es darf nicht sein, dass eine teils ausufernde Bürokratie den vorausschauenden Planungen der Wasserversorgungsunternehmen Steine in den Weg legt“, kritisiert Merkel.

Sichere Zukunftsperspektive für die Ressource Wasser
Trinkwasser in Deutschland wird aller Voraussicht nach nicht knapp. Dennoch sind frühzeitig die Weichen für seine Verfügbarkeit in Zeiten des Klimawandels zu stellen. Aus Sicht des DVGW gehört dazu auch die Entwicklung einer Zukunftsperspektive für die Ressource. Die “Roadmap 2030” empfiehlt hierfür 55 Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern zur Umsetzung. Dazu zählen die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, der Erhalt einer naturnahen Wasserqualität oder resiliente Infrastrukturen. Die Roadmap 2030 will Betreiber von Wasserinfrastrukturen ebenso wie Behörden in die Lage versetzen, die Voraussetzungen für das Anschieben der Klimawandelanpassungen zu schaffen.
Wolf Merkel erklärt dazu: „Unklare, sich überschneidende Zuständigkeiten bei Bund, Ländern und Betrieben verursachen Reibungsverluste. Häufig fehlen zudem rechtliche Voraussetzungen und Grundlagen. Ohne sie ist eine effektive Realisierung der Maßnahmen jedoch nicht möglich. Auch Rahmenbedingungen wie ausreichendes Personal, Finanzierung und Akzeptanz sind wichtig. Diesen Stau gilt es aufzulösen.“ Dazu wird der DVGW die Roadmap 2030 in die parlamentarische Arbeit einbringen. Analog zur Nationalen Wasserstrategie soll eine regionale Konkretisierung und Verschränkung mit den Zukunftsplänen der Wasserwirtschaft und der Bundesländer erfolgen. Auf dieser Basis müssen, so die Auffassung des DVGW, politische Entscheidungen zur Maßnahmenfinanzierung getroffen werden.

Die Messe- und Kongressveranstaltung gat | wat wird vom DVGW organisiert und findet im jährlichen Wechsel in Köln und Berlin statt. Rund 120 Aussteller präsentierten am 6. und 7. September in den Hallen der Messe Köln Exponate und technische Lösungsanwendungen der Gas- und Wasserbranche. Im Kongress diskutierten über 100 Referentinnen und Referenten die aktuellen Herausforderungen der Energie- und Wasserbranche. Zentrale Themen in diesem Jahr waren die Herausforderungen Energie- und Klimakrise im Kontext der Transformation mit klimaneutralen Gasen und Wasserstoff. Wasserseitig lag der Fokus der gat | wat bei Themen der Resilienz und Versorgungssicherheit in Zeiten des Klimawandels.

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