3. VDMA-Kongress „Predictive Maintenance 4.0“
Einige entwickeln Fluidzylinder oder Getriebe, andere bauen komplette Maschinen und Anlagen, manche unterrichten die Ingenieure von morgen. Die 131 Teilnehmer eines ausgebuchten VDMA-Kongresses kamen zwar von unterschiedlichsten Arbeitgebern und Institutionen, doch sie einte ein Thema: Predictive Maintenance 4.0.
Digitale Ambitionen sind gefragt
Einige entwickeln Fluidzylinder oder Getriebe, andere bauen komplette Maschinen und Anlagen, manche unterrichten die Ingenieure von morgen. Die 131 Teilnehmer eines ausgebuchten VDMA-Kongresses kamen zwar von unterschiedlichsten Arbeitgebern und Institutionen, doch sie einte ein Thema: Predictive Maintenance 4.0.
Keine Frage, die Botschaft ist angekommen. Die Rede ist von einer Studie zu „Predictive Maintenance“ (PM) von Roland Berger, VDMA und Hannover Messe, laut der ein schneller Durchbruch in Sachen PM nur mit neuen Innovationsmethoden wie Design Thinking oder Co-Creation funktioniert. Inspirierendes Know-how vermittelten dazu in Frankfurt am Main elf Fachleute aus den unterschiedlichsten Branchen.
„Erfolgreich ist nicht der Erste oder Stärkste, sondern derjenige, der sich durch die eigene digitale Transformation am schnellsten anpasst“, schwor Dr. Volker Nestle, Leiter des Zentralbereichs Forschung+Entwicklung bei der TRUMPF GmbH + Co. KG aus Ditzingen, die Zuhörer auf eine neue Innovationsgangart ein. Im Mittelpunkt der „Digitalen Ambition“ von Trumpf stehen dabei auch Condition Monitoring (CM)-Lösungen für Kunden. „Der Kunde erhält eine Echtzeit-Visualisierung der Zustände seines Laserpools“, erläuterte Dr. Nestle. „Das ist ein Feature, das heute immer mehr Kunden fordern.“ Die sogenannten Smart View Services bieten dem Anwender die Chance, etwa mit Hilfe eines elektronischen Kalenders Wartungen zu planen und durchzuführen. Wichtig für größere Unternehmen mit Fertigungsverbünden sei ausserdem die Möglichkeit, die aktualisierten Informationen von Werk zu Werk zu übertragen.
Einen Schritt weiter gehen die PM-Ansätze mit Reporting und Datenanalyse. Hier werden die Laser fortlaufend überwacht: Von Trumpf-Experten entwickelte Algorithmen werten die erzeugten Daten aus und sorgen für eine höhere Verfügbarkeit der Laser. So lassen sich z.B. durch die Beobachtung des Streulichts von Lasern Trends ableiten, um dann im Fall der Fälle rechtzeitig den Service zu aktivieren. Dr. Nestle: „Mit Hilfe der erzeugten Daten hat der Servicetechniker vor Ort genau die richtige, auszuwechselnde Komponente zur Hand. Auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass die Service-Einsätze sehr schnell und zuverlässig ablaufen.“ Ein angenehmer Nebeneffekt: Der Service lernt, wie er seine Einsätze mit jeder Aktivität optimieren kann.
Eine wichtige Rolle spielt bei diesem „Condition Based Service“ die Speicherung der Daten. TRUMPF achtet strikt darauf, dass der Kunde die Zugriffskontrolle seiner Daten im sogenannten internen Quality Data Storage behält. Es handelt sich dabei um eine beim Kunden installierte IT-Infrastruktur. Die Entwicklung der Prozessdaten der Maschinen kann so über Jahre hinweg verfolgt und analysiert werden, denn „Transparenz schadet nie“ (Dr. Nestle). Über sichere Schnittstellen (wie Factory-Gate) überwachen und werten Trumpf-Experten die Daten des Kunden aus, der dann über sein IT-System die Auswertungen als Feedback erhält. Bewährt hat es sich bereits in Stuttgart: 2017 erhielt TRUMPF den begehrten Daimler Supplier Award nicht nur für die gemeinsame Entwicklung eines neuen Laserschweißverfahrens für die aktuelle Mercedes-Benz E-Klasse, sondern auch für die damit einhergehende Implementierung von Condition Monitoring in der Produktion.
Zu den Industrie 4.0-Pionieren zählt Martin Hankel, Leiter Digital Business bei Bosch Rexroth Hydraulics aus Lohr, für den die Mathematik eine sehr wichtige Rolle bei PM-Konzepten spielt. Das Erfolgsrezept: Mit Hilfe selbst lernender Systeme Sensor-Daten aus Maschinen sammeln, bewerten und vorhersagen, um daraus ein einfaches mathematische Modell zu entwickeln, das vor Ort auch mit wenigen Daten zuverlässig Vorhersagen macht. „Wir reduzieren bei unserem „Online Diagnostics Network ODiN“ aus dem gesamten Datenbestand an Trainingsdaten ein vereinfachtes Modell, mit dem wir die Maschinenüberwachung durchführen“, erklärte Hankel. An einer Axialkolbenpumpe demonstrierte der Fachmann, wie sich mit einfacher, bereits bei vielen Firmen installierter Sensorik der Pumpenzustand über einen Zeitraum von sieben bis zehn Tage zuverlässig vorhersagen lässt. „Es laufen nach diesem Prinzip bereits erfolgreich mehrere Projekte“, betonte der Fachmann. „Wir detektieren mittlerweile auch erste Fremdpodukte, bei denen wir zuverlässig Anomalien nachweisen konnten.“
Wer aber in größeren digitalen Dimensionen – Stichwort Industrie 4.0 – denkt, dem empfiehlt er, sich langfristig auf das Time-Sensitive Networking (TSN) der Time-Sensitive Networking Task Group (IEEE 802.1) einzustellen. Hankel: „Über ein TSN-Netzwerk kann jeder zukünftig Sensordaten direkt aus der Feldebene über alle Instanzen hinweg erhalten.“ Am Bosch Rexroth-Standort in Erbach bei Frankfurt am Main treffen sich mittlerweile mehr als 20 Firmen, die Komponenten mit integrierter TSN-Technik und OPC-UA-Schnittstellen in einem TSN-Testbed erproben. Um TSN zu forcieren und weiter voran zu bringen, hofft die Arbeitsgruppe auf die Mitwirkung weiterer Firmen. Ebenso wichtig sei eine gemeinsame Sprache in Form von standardisierten Daten, die erst den Informationsaustausch zwischen Komponenten und Systemen aus unterschiedlichsten Herstellerwelten erlaubt. Hier arbeitet Bosch Rexroth unter anderem in der VDMA-Arbeitsgruppe Industrie 4.0 - AK Fluidtechnik mit anderen Hydraulik- und Pneumatik-Herstellern zusammen. Die standardisierten Daten werden dann über ecl@ss und ISO in die Normung eingebracht.
Clever gesammelte, ausgewertete und analysierte Daten lassen sich jedoch nicht nur für CM und PM nutzen, sondern auch für neue Geschäftsmodelle, die auf diesem Gebiet im Kommen sind. Hier kommt die VDMA Business Advisory ins Spiel, in der Experten VDMA-Mitgliedern Fragen rund um die betriebliche Wertschöpfungskette beantworten. Um Dienstleistungen geht es der Leiterin dieses Teams, Bianca Illner, mit ihrer Initiative „Fit for Service: Position bestimmen – Potenziale indentfizieren – Serviceerfolg steigern“. Zusammen mit der Unternehmensberatung goetzpartners hat ihr Team anhand von VDMA Benchmark-Umfragen bei Mitgliedsfirmen die 43 Faktoren identifiziert, die für den wirtschaftlichen Service-Erfolg sorgen. Auf Basis dieser Ergebnisse und mit Hilfe eines Online-Selbstbewertungstools (http://fitness-checks.vdma.org) lässt sich die eigene Servicesituation im Vergleich zu den Best-in-Class im Maschinen- und Anlagenbau besser erkennen. Die Ergebnisse der Studie liefern auch Handlungsempfehlungen, um den eigenen Service weiterzuentwickeln.
Doch wie sieht es generell strategisch auch mit Blick auf CM/PM aus? Frau Illner gibt anhand einer Studie zu Industrie 4.0 (Vergleich der Ansichten des Maschinen- und Anlagenbaus mit denen der IT-Branche) einen interessanten Denkanstoß: „Während sich die Maschinen- und Anlagenbauer auf die digitale Veredelung bestehender Produkte konzentrieren, will die IT-Branche ihr Geschäft systematisch in Richtung produzierende Unternehmen weiterentwickeln. Das ist ein frontaler Angriff auf unsere digitalen Geschäftsmodelle!“ So einfach und schnell könne der IT-Branche der Einstieg aufgrund der Komplexität des Maschinen- und Anlagenbaus nicht gelingen, es drohe aber jetzt schon in vielen Bereichen (mathematische Algorithmen, Cloud-Analysen) ein neuer ernstzunehmender Wettbewerb.
Zu den Firmen, die mögliche Wettbewerber aus der IT-Branche mit ihren neuen digitalen Geschäftsmodellen sehr genau beobachtet, zählt die SW Schwäbische Werkzeugmaschinen GmbH aus Schramberg-Waldmössingen (bei Villingen-Schwenningen). Verantwortlich für die interne Digitalisierung ist dort Johannes Zuckschwerdt, Leiter Organisationsentwicklung/Projekt-Portfoliomanagement. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald setzt auch für seine Kunden seit Jahren auf digitale Dienstleistungen auf Basis einer ausgereiften Cloud-Pattform. Auf diese Weise können die SW Experten frühzeitig erkennen, wann ein Verschleißteil ausgetauscht werden muss. Die von SW angebotenen digitalen Dienstleistungen werden kontinuierlich weiterentwickelt und basieren aktuell auf zwei der größten IoT-Cloud-Plattformen.
Dabei hat Zuckschwerdt den drohenden Wettbewerb der IT-Branche schon im Visier: Wann sind IT-Konzerne in der Lage anhand von Algorithmen den Verschleiß von Komponenten zu berechnen? Wieviel Vorsprung bietet das Domain-Know how des Maschinenbauers? Im Prinzip die gleichen Fragestellungen wie im Automobilbau beim autonomen Fahren. Diese und weitere Überlegungen werden im Zuge der digitalen Transformation des Unternehmens intensiv diskutiert. So aggregiert SW schon seit einigen Jahren Daten und beschäftigt sich intensiv mit der Weiterentwicklung von neuen Dienstleistungen auf Basis innovativer Algorithmen. Dabei gehe es jedoch nicht nur darum, den Service zu optimieren – also z.B. das Ersatzteilgeschäft neu zu organisieren oder den Kunden Transparenz über Ihre Maschinen zu ermöglichen, sondern auch um neue Business Modelle wie „pay per use“, bei dem der Anwender nicht die Maschine, sondern ihren effizienten Nutzen bezahlt. Zuckschwerdt: „Das alles geschieht mit dem Ziel, dem Kunden in einer digitalen Welt bessere Maschinen und Services anzubieten.“
Autor: Nikolaus Fecht im Auftrag des VDMA
Quelle: VDMA e. V.