Maximale Effizienz in der Belebung dank AERZEN Drehkolbenverdichter

24.06.2022
Noch spielt der digitale Zwilling in der Abwasserbranche keine nennenswerte Rolle. Doch das Potenzial hinsichtlich Prozessoptimierung ist enorm. Als erste Kläranlage Europas hat die neue ARA (Abwasserreinigungsanlage) Oberengadin in der Schweiz den Schritt in die Zukunft gewagt und zeigt, wie sich mit modernsten Technologien und einem nachhaltigen Energiekonzept Gewässerschutz und Kosteneffizienz optimal in Einklang bringen lassen.
Maximale Effizienz in der Belebung dank AERZEN Drehkolbenverdichter

AERZEN Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid D 52S sorgen für die optimale Sauerstoffversorgung der fünf SBR-Reaktoren. (Bildquelle: Aerzener Maschinenfabrik GmbH)

Mit an Bord: hocheffiziente Drehkolbenverdichter bzw. Schraubengebläse von AERZEN. Die Kläranlage der Zukunft ist energieeffizient, ressourcenschonend, kompakt und wirtschaftlich. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt ein Blick in die Schweiz – genauer gesagt ins Hochtal Oberengadin (Kanton Graubünden). Im kleinen Örtchen Schanf am Oberlauf des Inn – gut 20 km nordöstlich von St. Moritz – ist im Juli 2021 eine der modernsten und innovativsten Abwasseraufbereitungsanlagen Europas in Betrieb gegangen. Die ARA Oberengadin wurde nach dem neuesten Stand der Technik geplant und realisiert – Stichwort digitaler Zwilling – und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sind. „Nachhaltigkeit ist kein Schlagwort, sondern Wirtschaftlichkeit“, bringt es Betriebsleiter Godi Blaser auf den Punkt. Das Ergebnis ist ein Quantensprung für die Region und eine Blaupause für die Abwasserreinigung der Zukunft.

Zusammenlegung von drei Kläranlagen
Ausgangspunkt für den Neubau war eine ungenügende Nitrifikation in den Oberengadiner Kläranlagen Staz in Celerina, Sax in Bever und Furnatsch in Schanf, wodurch die gewässerschutztechnischen Auflagen nicht mehr erfüllt werden konnten. Die Frage war: Sanierung der drei in den 1970er- bzw. 1980er-Jahren erbauten Anlagen oder Zusammenlegung der Kapazitäten in einer neuen regionalen ARA Oberengadin? Zwar fielen die Investitionskosten bei einem Neubau mit 74,6 Millionen Euro höher aus als bei einem Ausbau der drei bestehenden ARAs mit 50,7 Millionen Euro, die avisierten Betriebskosten jedoch lagen deutlich darunter – 1,8 Millionen versus 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Geht man von 45 Jahren Betriebszeit aus, ergibt sich eine signifikante Ersparnis.

Die neue ARA Oberengadin wurde auf dem Gelände der alten ARA Furnatsch errichtet und ist für 90.000 Einwohnergleichwerte (EGW) ausgelegt. Damit ist sie wesentlich kleiner als die ARAs Staz, Sax und Furnatsch mit einer Ausbaugröße von insgesamt 114.000 EGW. Möglich wurde dies durch den bereits 2009 gebauten Hauptsammelkanal von Samedan bis Schanf, einer konsequenten Trennung des Meteorwassers (Regen, Schmelzwasser) vom verschmutzten Abwasser sowie optimierter verfahrenstechnischer Prozesse während der touristischen Höchstsaison rund um Weihnachten und Neujahr. Die Anlage ist modular aufgebaut. Damit ist die ARA Oberengadin auch den starken saisonalen Schwankungen optimal gewachsen: Während in der Höchstsaison Spitzenbelastungen von bis zu 110.000 EGW anfallen, entspricht die Schmutzstoffbelastung in der Nebensaison gerade einmal 15.000 EGW.

Lebenszykluskosten als bestimmender Faktor
Bei der Wahl der eingesetzten Technologien, Lösungen und Materialien standen in erster Linie die Lebenszykluskosten im Fokus. Das heißt: Es zählten nicht allein die Beschaffungs-, sondern auch die Betriebskosten, also Ausgaben für Strom, Unterhalt, Wartung, Personal etc. Für die SBR-Biologie (SBR = Sequencing Batch Reactor), dem Herzstück der Anlage, bedeutete dies: Energieeffizienz und Verfügbarkeit im Service waren zu einem Großteil ausschlaggebend. Besonderes Augenmerk galt dabei dem Belüftungssystem, denn dieses kann zwischen 60 bis 80 % des gesamten Energiebedarfs bei der Abwasseraufbereitung in Anspruch nehmen.

In der ARA Oberengadin sorgen AERZEN Drehkolbenverdichter bzw. Schraubengebläse vom Typ Delta Hybrid D 52S mit einem maximalen Ansaugvolumen von 40,9 m³/min, einer Druckdifferenz von 650 mbar und einem Volumenstromregelbereich von über 1:4 für die optimale Sauerstoffversorgung der fünf SBR-Reaktoren – je ein Delta Hybrid pro Becken (Beckenvolumen 2.700 m³). Üblich wäre ein weiterer Verdichter als Redundanz. Doch dank der hohen Zuverlässigkeit der AERZEN Aggregate sowie der Tatsache, dass aufgrund der saisonalen Schwankungen selten alle SBR-Reaktoren gleichzeitig in Betrieb sind, hat die Kläranlage Oberengadin bewusst dar-auf verzichtet.

Zustandsüberwachung der Gebläse
Die ARA Oberengadin wollte alle Prozesse mit dem gleichen Umrichtertyp bauseits abdecken und hat dafür eigens einen extra Partner beauftragt. Daher waren Aggrega-te ohne Frequenzumrichter gefordert. Für AERZEN kein Problem. Der Gebläse- und Verdichterspezialist bietet hier eine große Flexibilität und kann seine Maschinen mit integriertem, separatem oder – wie im vorliegenden Anwendungsfall – ohne Umrichter liefern. Über die Frequenzumrichter erfolgt auch eine Zustandsüberwachung der Gebläse. Drehzahl bzw. Frequenz erlauben Rückschlüsse auf den aktuellen Volumenstrom und damit die tatsächliche Belastung. In Zukunft wird darüber hinaus Predictive Maintenance angestrebt, denn als größte Energieverbraucher sind die Gebläse besonders prädestiniert für eine bedarfsgerechte Wartung. „Ich bin froh, dass wir mit AERZEN Gebläsetechnik arbeiten. Mit AERZEN haben wir einen Partner, der nicht nur zuverlässige und effiziente Technik mit minimalem Wartungsaufwand liefert, sondern auch einen hervorragenden Service bietet. Wann immer irgendwas sein sollte, können wir uns darauf verlassen, dass AERZEN innerhalb kürzester Zeit zur Stelle ist“, ist Godi Blaser begeistert. Zu-dem werden im Sandfang zwei AERZEN Drehkolbengebläse vom Typ Delta Blower eingesetzt.

Eine Besonderheit ist die Aufstellhöhe von 1.650 m über Meer. Aufgrund des niedrigeren Luftdrucks und der dadurch geringeren Luftdichte wird ein höherer Volumenstrom benötigt, um ausreichend Sauerstoffmoleküle in die Belebung zu transportieren. Auch das Druckverhältnis ist größer (im vorliegenden Fall liegt es teilweise bei 2), daher muss ein Motor Derating einkalkuliert werden. Die Folge: In der Höhe braucht es leistungsstärkere Aggregate als auf Meeresspiegelniveau. Vor diesem Hintergrund bekommt das Thema Energieeffizienz noch einmal eine stärkere Relevanz. Die hocheffizienten Delta Hybrid D 52S sind da genau die richtige Wahl, denn dank ihrer technologischen Überlegenheit ermöglichen sie signifikante Energieeinsparungen von bis zu 30 % im Vergleich zu klassischer Gebläsetechnik.

Die gesamte Prozessführung der ARA Oberengadin erfolgt hochautomatisiert über ein leistungsfähiges Steuerungssystem und ermöglicht dem Betriebspersonal die notwendige Überwachung, Datenauswertung und Prozessoptimierung. Die Steuerung der SBR-Reaktoren wird dynamisch realisiert. Das SBR-Verfahren ist eine Variante des Belebtschlammverfahrens. Im Gegensatz zur konventionellen Methode, bei der alle Reinigungsschritte nacheinander in verschiedenen Becken durchflossen werden, kombiniert das SBR-Verfahren biologische Reinigung und Nachklärung in einem Reaktor. Dadurch ergibt sich eine besonders hohe Flexibilität.

Vorreiter in Sachen digitaler Zwilling
„Uns ist wichtig, dass die Anlagen zuverlässig laufen und wir keine Ausfälle haben. Durch die dynamische Steuerung ist das System in sich so komplex, dass man die Auswirkungen einer Maßnahme nicht unbedingt sofort erkennen kann. Daher setzen wir auf den digitalen Zwilling. Dieser gibt uns die Möglichkeit, Betriebsszenarien bereits im Vorfeld zu simulieren“, macht Godi Blaser deutlich. Im Simulationsmodell können Strategien und Varianten untersucht sowie Prognosen und Handlungsoptionen aufzeigt werden. Die Ergebnisse fließen dann in die dynamische Steuerung ein.

Modernste Technik in Kombination mit einem nachhaltigen Energiekonzept: Im Oberengadin wurde Geschichte geschrieben. Der digitale Zwilling ist ein Novum in Europas Abwasserwirtschaft – und bereits jetzt so erfolgreich, dass Nachahmer sicherlich nicht lange auf sich warten lassen werden. Godi Blaser betont: „Ziel des digitalen Zwillings ist nicht, die Steuerung zu übernehmen. Der digitale Zwilling ist ein Hilfsmittel und wenn man ihn als solches sieht, ist er sehr wertvoll.“ Sobald sich alle Prozesse eingespielt haben, wird für die ARA Oberengadin ein jährlicher Strom-bedarf von 1,4 GWh veranschlagt, wovon sich 1,2 GWh aus dem reinen ARA-Betrieb generieren lassen werden. Das Ziel: 80 % Energieautarkie. Energieeffiziente, zuverlässige und wartungsarme Technik wie die AERZEN Aggregate leisten dazu einen wesentlichen Beitrag. Übrigens: Rechnet man Fremdprozesse wie die Solaranlage oder die Biogasproduktion aus der angelieferten Molke hinzu, geht es sogar in die Überdeckung.

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