Die Energiewende: Herausforderung Gebäudebestand

29.06.2012

Einen hochkarätig besetzten Planerkongress veranstaltete Wilo im Juni 2012 gemeinsam mit Bilfinger Berger Facility Services, der Deutschen Energieagentur (dena) und der Fraunhofer-Gesellschaft im Berliner Hotel Maritim ProArte.

Die Energiewende: Herausforderung Gebäudebestand

Den rund 300 Teilnehmern wurde umfassend vermittelt, was mit der Energiewende auf die Planungsbüros zukommt. (Foto: Wilo)

Unter dem Leitmotiv „Die Energiewende: Herausforderung Gebäudebestand. Planer und Betreiber im Dialog“ präsentierten namhafte Referenten aus Wissenschaft, Praxis und Politik den neuesten Stand zur energetischen Optimierung bestehender Gebäude. Das thematische Spektrum reichte von den Chancen und Konsequenzen einer nachhaltigen Energiepolitik über aktuelle Innovationstreiber und technische Alternativen bis hin zur EnEV 2012 und der effizienten Bauteileaktivierung. Dadurch wurde den rund 300 Teilnehmern umfassend vermittelt, was mit der Energiewende auf die Planungsbüros zukommt. Dies ist gerade jetzt von besonderem Interesse, da die Bundesregierung die Energiewende mit einer Erleichterung der Planung und einfacheren Gesetzen massiv voranbringen will.

Kritische Erfolgsfaktoren in der internationalen Gebäudetechnik

„Energieeffizienztechnologien werden weltweit zu Leittechnologien des 21. Jahrhunderts“, skizzierte Oliver Hermes, Vorstandsvorsitzender der Wilo SE, eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. „Ein Großteil des Energieverbrauchs in Europa entfällt auf den Gebäudebestand. Er verursacht außerdem mit seinem Strom- und Wärmeverbrauch einen hohen Anteil der gesamten Treibhausgas-Emissionen auf unserem Planeten. In keinem anderen Bereich kann mit Energieeffizienzmaßnahmen so viel erreicht werden“, so Hermes. In Immobilien lassen sich erhebliche Energieeinsparungen mit wirtschaftlich äußerst interessanten Maßnahmen erzielen. Bis zu 80 Prozent seien in besonders sanierungsbedürftigen Gebäuden möglich – und das mit deutlich höherem Komfort.

Moderne Technologien der Wärme- und Kälteerzeugung und -verteilung wiesen große Einsparpotenziale auf. Entscheidend für ihren Markterfolg seien vielfach vor allem wirtschaftliche Faktoren wie Life-Cycle-Costs und Amortisationszeiten. „Wilo investiert hier seit Jahren massiv, um den Partnern auch in dieser Hinsicht erfolgreiche Produkte in die Hand zu geben“, so der Vorstandsvorsitzende des Pumpenherstellers. Dass die Wilo weiter auf Wachstumskurs sei und 2011 den Umsatzrekord des Vorjahres nochmals übertroffen habe, sei auch ein Ergebnis der Innovationsführerschaft des Konzerns und des exzellenten Kundenservice bei Pumpen und Systemen für die energetische Gebäudesanierung.

Durchbruch zur Hocheffizienz im Pumpenmarkt

„Rückenwind aus Brüssel“ erhält die Energiewende aktuell durch die europäische ErP- bzw. Ökodesign-Richtlinie, betonte Peter Stamm, Vertriebsleiter D-A-CH bei Wilo. Zwei EU-Verordnungen unter der europäischen Ökodesign-Richtlinie lassen ineffiziente Pumpen schrittweise europaweit aus dem Markt verschwinden. Indem EU-weit nur noch besonders stromsparende Modelle in Verkehr gebracht werden, werde ihr Einsatz bei Neuinstallation und Austausch den Gesamtstromverbrauch des Pumpenbestandes in den nächsten Jahren erheblich senken. „Das bringt aber nur denjenigen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, die zugleich den Megatrend Energieeffizienz aktiv mit der Vermarktung entsprechender Produkte für sich nutzen“, so Stamm. Mit Stromsparpotenzialen von 70 Prozent bei Trockenläuferpumpen und sogar 90 Prozent bei hocheffizienten Nassläuferpumpen gegenüber alten installierten Produkten bieten innovative Pumpentechnologien hier besonders interessante Chancen für Planer, Handwerksunternehmen und Anlagenbauer.

Stamm riet den Teilnehmern, den Blick frühzeitig auf den Starttermin der zweiten EU-Verordnung zu richten, die ab dem 1. Januar 2013 die Energieeffizienz von Umwälzpumpen in Nassläuferbauweise reguliert. Denn bei größeren Bauvorhaben könnten erfahrungsgemäß zwischen Planung, Ausschreibung und konkreter Auftragsvergabe etliche Monate vergehen. Die Ausführung der Gebäudetechnik erfolge daher in vielen Projekten erst nach Inkrafttreten der Verordnungen bzw. nach ihrer nächsten Umsetzungsstufe. „Machen Sie also ‚ErP ready’ in jedem Fall zu einem entscheidenden Kriterium bei der Pumpenauswahl“, so der Rat des Wilo-Vertriebsleiters.

Energiewende: Chancen und Konsequenzen

Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur GmbH (Berlin) nannte einige Kernzahlen zum riesigen Energiesparpotenzial im bundesweiten Gebäudebestand. So haben rund 70 Prozent der Gebäude, die vor 1979 gebaut wurden, keine Dämmung, bei 20 Prozent ist sie unzureichend. Ein ähnlich schlechtes Bild, so Kohler ergibt sich bei den Heizungsanlagen in deutschen Kellern. Von den 19,5 Millionen Heizungsanlagen im Bestand sind rund 14,7 Millionen veraltete Gas- und Ölkessel. Somit entsprechen 75 Prozent der Heizungsanlagen nicht dem Stand der Technik. „In den Gebäuden schlummern die Potenziale, die für die Energiewende so wichtig sind“, so der Energieexperte. Er wies darauf hin, dass sich die dena intensiv für eine Verbesserung der Marktbedingungen einsetzt. Dazu gehören auch Netzwerke der relevanten Akteure: „Für eine einheitliche Information der Gebäudeeigentümer und ein engagiertes Zusammenwirken aller Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden hat die dena die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) initiiert und koordiniert ihre Aktivitäten“, so Kohler.

Menschen brauchen Zukunft – Zukunft braucht Energie

Vor dem Hintergrund der beschlossenen Energiewende wies anschließend Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer Gesellschaft, darauf hin, dass zur Umsetzung der Energiewende weiterhin Grundlagenforschung, ganz besonders aber auch anwendungsnahe Forschung erforderlich sei. So seien regenerative Energien weiter auf dem Vormarsch, zudem stehe der Ausbau von Stromnetz und Speichern an. Die Forschung setze dabei auf einen Mix aller erneuerbarer Energien, um eine robuste Energieversorgung zu ermöglichen. „Gebraucht werden aber auch leistungsfähige Stromspeicher, die das fluktuierende Energieangebot ausgleichen. Zudem wird eine dezentrale, intelligente, last- und angebotsorientierte Versorgungsstruktur benötigt, sogenannte ‚Smart Grids’“, betonte Prof. Bullinger. „Deutschland hat durch seine Anstrengungen im letzten Jahrzehnt eine weltweit beachtete technologische und wissenschaftliche Spitzenstellung in den für die Energiewende wichtigen Technologien erreicht. In den nächsten Jahren wird eine wichtige Herausforderung darin bestehen, diese Spitzenstellung durch entsprechende Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie die weitere Unterstützung des heimischen Marktes zu erhalten“, lautete der Aufruf des Präsidenten der Fraunhofer Gesellschaft.

DIN V 18599 – die effiziente Alternative?

Prof. Dr.-Ing. Rainer Hirschberg von der Fachhochschule Aachen stellte die im Dezember 2011 erschienene, neu überarbeitete DIN V 18599 als eine der Grundlagen für den energetischen Nachweis von Gebäuden in den Mittelpunkt seines Vortrags. Er wies zunächst darauf hin, dass der Umfang der Norm durch einige erweiterte Rechenansätze und den neuen Teil Gebäudeautomation nochmals gestiegen ist. Die Arbeit mit der Norm bleibe aber, so Prof. Hirschberg, schwierig. „Wenn die Handhabung der Norm jedoch ineffektiv ist, schwindet die Akzeptanz und die unabdingbare Notwendigkeit, zukünftig Energie einzusparen, wird ausgehebelt“, gab der Experte zu bedenken. Vor diesem Hintergrund stellte er ein vereinfachtes Nachweis-Verfahren vor, das es, als Tabellenverfahren, erlaubt, sowohl das Gebäude als auch die Anlagentechnik per Handrechnung energetisch zu bewerten. „Das Verfahren ist für Wohn- und Nichtwohngebäude und für alle Anlagentechniken geeignet. Es kann im Neubau und im Gebäudebestand angewendet werden und erlaubt insbesondere die einfache Bewertung von Teilbereichen der Anlagentechnik z.B. für Teilsanierungen“, hob Prof. Hirschberg die Vorteile hervor. Damit werde die DIN V 18599 nicht nur zum Nachweis der Effizienz dienen, sondern selbst erstmals effizient in der Anwendung werden.

„Wilo-Geniax“: Systemkompetenz für die Sanierung

Eine Technologie, mit der sich auch bestehende Heizungssysteme deutlich sparsamer und komfortabler betreiben lassen, präsentierte Jürgen Resch, Leiter der Business Unit Wilo-Geniax bei Wilo. „Viele Energieeffizienzmaßnahmen – Gebäudedämmung, neue Fenster oder auch Maßnahmen im Bereich der Wärmeversorgung – rechnen sich erst nach langen Amortisationszeiten. Dies macht es auch dem TGA-Fachplaner oftmals schwer, den Immobilienbesitzer zu überzeugen“, so Resch. Seit 2009 stehe aber mit dem Dezentralen Pumpensystem „Wilo-Geniax“ eine Alternative zur Verfügung, die sich durch vergleichsweise geringe Investitionskosten auszeichne und sich schnell bezahlt mache. Wie Resch weiter ausführte, habe sich das Dezentrale Pumpensystem bereits in vielen Bestands- und Neubauten bewährt und sorge dort für deutlich reduzierte Heizenergieverbräuche. Das System setzt auf Miniaturpumpen an den Heizflächen bzw. Heizkreisen anstelle der Thermostatventile. Eine intelligente Elektronik steuert das gesamte System inklusive des Wärmeerzeugers. „Durch die Nachrüstung einer bestehenden Anlage mit ‚Wilo-Geniax’ kann nahezu jede herkömmliche ,Angebotsheizung’ mit einer zentralen Heizungspumpe zu einer ‚Bedarfsheizung’ werden. Dort wird nur Wärme gefördert, wenn diese auch tatsächlich benötigt wird“, so Resch. Hinzu komme, dass „Wilo-Geniax“ automatisch den hydraulischen Abgleich der Anlage übernimmt. Auf diese Weise bleibe das gesamte Heizungssystem jederzeit in einem energieeffizienten und komfortablen Optimalzustand.

Effiziente Bauteileaktivierung im Gebäudebestand

Die Chancen und Grenzen der Thermischen Bauteileaktivierung (TBA) im Gebäudebestand beleuchtete Prof. Dr.-Ing. Uwe Franzke vom Dresdner ILK Institut für Luft- und Kältetechnik: „Der Gebäudebestand ist – wenn auch nur bedingt – für den Einsatz der TBA geeignet“, so der Experte. Er wies darauf hin, dass die Wärmedämmung von Bürogebäuden über den gegenwärtigen EnEV-Standard hinaus in der Regel den thermischen Komfort verschlechtert. Vor allem führe sie zu einem Anstieg der Stunden mit einer Raumtemperatur über 26°C und damit zu einem unnötigen hohen Kühlenergiebedarf. Als Lösung im Bestandsbereich, so Prof. Franzke, bieten sich vorrangig TBA-Systeme im Aufbau auf der Decke an. Die TBA-Technologie könne dabei auch einen Beitrag zur indirekten Speicherung von erneuerbaren Energien wie dem mittels Windkraft oder Photovoltaik erzeugten Strom durch die direkte Kältespeicherung im Gebäude leisten. Weitere Effizienzsteigerungen ließen sich durch Einbeziehung von Prognosesystemen in die Gebäudeleittechnik (GLT) erzielen.

Quelle: WILO SE

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