Kläranlage Vechta bekämpft Abwassergeruch mit Filteranlage von Fritzmeier Umwelttechnik

08.03.2019

Weil der Abwassergeruch überhandnahm, musste die Stadt Vechta handeln. Nach eingehender Testphase fand man eine smarte Lösung, die zugleich besonders umweltfreundlich ist.

Kläranlage Vechta bekämpft Abwassergeruch mit Filteranlage von Fritzmeier Umwelttechnik

Die Filteranlage Volumenmax von Fritzmeier Umwelttechnik haben die Vechtaer aufs Flachdach gesetzt, vier Bodenanker reichen. Links im Bild die Rohgaszuführung, oben geht das Reingas raus. (Foto: Fritzmeier)

Das Oldenburger Münsterland und Vechta mittendrin: Ein schöner, durch reichlich Natur und Agrarwirtschaft geprägter Landstrich im Nordwesten Deutschlands. Draußen in der Feldmark betreibt die Kreisstadt mit 34.000 Einwohnern ihre Kläranlage. Aus einem nahen Wohngebiet kamen immer wieder Beschwerden. „Der Westwind trägt den Abwassergeruch ein bis zwei Kilometer weit“, berichtet Mitarbeiter Thomas Ecke. Er kann die Belastung nachvollziehen: „Das störte auch die Beschäftigten hier“.

Zahlreiche Einleiter, Intensivproduktionen und angefaultes Abwasser aus der Druckrohrleitung: Vechtas Abwasserwerker sahen sich vor einer Herausforderung in Sachen Geruchsemissionen.

200 ppm Schwefelwasserstoff

Die 1954 errichtete und mehrfach erweiterte Kläranlage am Bokerner Damm ist auf einen Einwohnergleichwert von 60.000 EW ausgelegt. Ihre Abwasserfracht entstammt einem Trennkanalnetz von insgesamt 330 km Länge, das von 135 Pumpstationen gespeist wird. Die Tagesabwassermenge beträgt rund 6000 m³.

Durchschnittlich verweilt das Vechtaer Abwasser zwar nur einen halben Tag in der Kanalisation, doch der diskontinuierliche Zulauf und seine Zusammensetzung stellte die offene Konzeption des Rechengebäudes 2015 endgültig infrage. „Früher hatten wir zwei Lüfter, die von morgens bis abends liefen“, so Ecke. Diese zogen den Geruch aus der Feinrechenanlage nach außen ab. Als die Emissionen in der Umgebung nicht mehr vertretbar waren, orientierte sich der Fachdienstleiter der Stadtentwässerung auf dem Markt.

Vielversprechend erschien der Ansatz des bayrischen Spezialisten Fritzmeier Umwelttechnik. Dieser hatte eine Filteranlage entwickelt, die sich in vielerlei Hinsicht von den üblichen Lösungsansätzen unterschied. Stadt und Hersteller einigten sich auf einen befristeten Probebetrieb des Volumenmax bezeichneten Systems, das im Sommer 2016 aufgestellt wurde. Den Versuch war es wert, die Konditionen stimmten.

Probebetrieb bewies Tauglichkeit

Die Vechtaer hatten die Anlage alsbald provisorisch in Betrieb genommen. Der ursprüngliche Luftauslass aus dem Rechenraum wurde abgeschaltet, die Umleitung über DN300-Rohre zu der selbst ansaugenden Anlage nach draußen gelegt. Und zwar ganz pragmatisch: „Durch ein Loch in der Tür, kurzerhand per Stichsäge geschaffen“, erinnert sich Ecke. Nebenan ein 400V-Schaltkasten, Stromanschluss, fertig.

Die Anlage ist ein kompakter, unscheinbarer Quader: Nur 131 x 131 cm beträgt ihr „Footprint“, bei rund 3,8 Metern Gesamthöhe. Unten an der Seite geht das Rohgas rein, oben tritt es aus dem Pilzkopf neutralisiert ins Freie. Vor der Inbetriebnahme wurden Messungen durchgeführt: 40 bis 50 ppm Schwefelwasserstoff sei durchschnittlich im Rohgas gemessen worden, sagt Ecke. Mit Spitzen bis 200 ppm. Schwefelwasserstoff (H2S) ist eine wesentliche Komponente im Abwassergeruch.

Im Inneren werkelt ein ausgeklügeltes Filtersystem. Das Rohgas strömt durch eine Filterkaskade aus physikalischen, biologischen und chemischen Komponenten – eine Eigenentwicklung des Herstellers, teils patentrechtlich geschützt. Fritzmeier ist der einzige Anbieter solcher Dreifach-Hybridsysteme. Sie basieren auf der coalsi-Filtertechnik, die mit selbem Wirkprinzip schon mehrtausendfach für Straßenkanäle und Abluftleitungen im Einsatz ist.

Rechenraum evakuiert

„Der Volumenmax ist unsere Weiterentwicklung für den Großbetrieb“, betont coalsi-Vertriebschef Ulrich Bethge. Für eine Stundenleistung bis 2800 m³ sei die Anlage ausgelegt. Für noch größere Volumina sei ein Parallelbetrieb mehrerer Systeme möglich. Ein zentrales Element bildet der mächtige Aktivkohle-Adsorber mit rund 8 m² Anströmfläche. „Das austretende Reingas ist geruchlich unauffällig“.

Ecke bestätigt die Aussagen: „Jetzt gehen nur noch 3-5 ppm raus“. Die Raum- und Abluft werde kontinuierlich überwacht. Auch in unmittelbarer Umgebung könne man nichts riechen. Der Rechenraum wird durch die Absaugung evakuiert, die gesamte Atmosphäre durch den Filter geschleust. „Seit dem gab es keine einzige Beschwerde aus der Anwohnerschaft“, unterstreicht Ecke.

Vechta entschied sich zum Kauf der Anlage. Der provisorische Auslass durch die Tür wich einer Kernbohrung im Gemäuer – viel mehr war nicht nötig. Nach insgesamt drei Jahren wurde Bilanz auch aus dem Regelbetrieb gezogen: Die Anlage läuft bis dato zuverlässig, es gab keine Ausfälle.

Betriebszeit nach Bedarf

Einen Punkt gilt es zu beachten. In der Anlage befinden sich Filtermatten, deren Wirkung sich mit der Zeit verringert. Auf ihnen sitzen Mikroorganismen, die das Rohgas verstoffwechseln. Insofern ist die Lebensdauer der Matten abhängig vom Gasdurchsatz. „Wir tauschen vorsorglich einmal im Jahr“, sagt Ecke. „Immer zum Frühjahr, bevor der Geruch mit warmer Witterung zunimmt“. Durch den festen Turnus gehe man auf Nummer sicher, müsse sich fortan nicht mehr kümmern. „Man kann auch olfaktorisch prüfen und erst dann wechseln“, sagt Bethge: Rieche man etwas, seien die Filter verbraucht.

Die Matten lässt Vechta regelmäßig vom Hersteller tauschen. Sie sind mit Klammern befestigt, was den Aufwand minimiert. Bethge betont, dass dies auch vom Kunden in Eigenregie machbar sei. Ecke und sein Team haben darüber noch nicht endgültig entschieden.

Der in der Anlage verbaute Lüfter ist in Vechta nicht an den Volumenstrom, sondern einfach an die Pumpenleistung gekoppelt. Als Grundlast läuft er auf kleiner Stufe rund um die Uhr. Dies ist nicht zwingend nötig, hält aber die Mikroorganismen auf Trab. Die Anlage könne bei Nichtbedarf auch komplett abgeschaltet werden, so Bethge. Dann werde die volle Reinigungsleistung allerdings erst ein bis zwei Tage nach dem Wiederanfahren erreicht: Die Bakterien brauchen diese Zeit zur Aktivierung. Selbst bei voller Lüfterleistung ist der Energieverbrauch mit 0,71 kW/h moderat. Die elektrischen Betriebskosten sind abhängig vom Heizbedarf zur Steuerung des Feuchtegrads des Rohgases. In der Praxis liegen sie meist zwischen vier und sechs Euro pro Tag.

Sorgloslösung für Vechta

Ein Erfolgskonzept im Kampf gegen üble Gerüche? Für Vechta absolut, zumal die üblichen Alternativen wenig überzeugten: Den praktizierten Minimaleinsatz von Chemie zur Geruchsbekämpfung beträchtlich auszuweiten, hielt man für nicht zeitgemäß. Auch biologische Festbettreaktoren kamen nicht infrage, da sie vergleichsweise viel Platz beanspruchen, große Mengen organische Trägermasse benötigen und diese stets auf optimalem Funktionsniveau (Austrocknung, Vernässung) zu halten ist.

Der gewählte Standfilter hingegen ist mit nur 680 kg Gewicht und minimalem Flächenbedarf praktisch überall platzierbar, benötigt keine Baugenehmigung, ist mit unter 50 dB(A) Betriebsgeräusch so leise wie ein Kühlschrank und lässt sich per Knopfdruck zuschalten. Die Filtermatten sind einfach zu wechseln und als minimaler Restmüll umweltgerecht entsorgbar – ein von allen getragenes Konzept. „Für uns in puncto Umweltschutz und Ressourceneinsatz die beste Wahl“, heißt es unisono in Vechta. „Vor allem aber betriebstechnisch eine Sorgloslösung“.

Auch andere Betreiber bestätigen die Angaben. Indes, teils sind Mischformen im Einsatz: „Ein Kunde nutzt den Filter parallel, und konnte seine fünfstelligen Chemiekosten in etwa halbieren“, so Bethge. Jede Klärsituation sei anders, von 30 bis 1000 ppm H2S käme alles vor. Vechtas Anforderungen seien aufgrund der Einleiter zwar besonders hoch, doch letztlich typisch. „Eine Filterung mit 99 Prozent Wirkungsgrad ist für viele Anwendungen realistisch“.

Gerüche entstehen in Kläranlagen und in zahlreichen Produktionsprozessen meist durch biogene Zersetzung, womit sich temperaturabhängig Bakterien vermehren, die in anaerobem Milieu insbesondere Schwefelverbindungen und Ammoniak bilden.

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