Fachbericht: NRW bietet Spurenstoffen die Stirn

05.12.2016

Spurenstoffe, also organische Mikroverunreinigungen im Abwasser, geraten immer mehr in den Fokus von Gewässerschützern und Behörden. Als äußerst dicht besiedeltes und hochindustrialisiertes Bundesland nimmt NRW eine Vorreiterrolle im Gewässerschutz ein. Mit Xylems Expertise entstehen dort zusätzliche Reinigungsstufen, in denen die schädlichen Chemikalien entfernt werden.

Fachbericht: NRW bietet Spurenstoffen die Stirn

Dem Ozonreaktor nachgeschaltet ist die biologische Nachbehandlung. (Foto: Xylem)

Baden in deutschen Flüssen ist in – und tatsächlich teilweise wieder mit gutem Gewissen möglich. Kommunale und industrielle Abwasseranlagen bereiten über 96 Prozent des Abwassers wieder auf – so gut wie nach dem Stand der Technik möglich, so § 57 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Parallel zur immer besseren Reinigung des Abwassers von den lange bekannten Schadstofffrachten stieg jedoch die Belastung mit Hormonen aus der Antibabypille, mit Antibiotika aus der Tierzucht, mit Röntgenkontrastmitteln oder Chemikalien, die bereits in kleinsten Mengen wie Hormone wirken.

Der Masterplan Wasser des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalens zeigt, wie man die Verunreinigung mit diesen für die Umwelt äußerst schädlichen Stoffen reduzieren kann. Bislang erreichen rund 90 Prozent der Gewässer NRWs keinen wirklich guten ökologischen Zustand, zurückzuführen unter anderem auf Mikroschadstoffe. Um das zu ändern, setzt das Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe.NRW nun auch zur Entfernung von Spurenstoffen auf den neusten Stand der Technik, nämlich auf adsorptive und oxidative Verfahren.

Spurenstoffen geht es in Kläranlagen in einer vierten Reinigungsstufe ans Leder: etwa mithilfe von Aktivkohle, an die sich die Spurenstoffe anlagern. Anschließend kann die belastete Aktivkohle beispielsweise verbrannt werden, evtl. über eine Schleife in der Biologie der Kläranlage, wo sie weiter beladen wird.

Ozon plus Filtration vermindert Spurenstoff-Eintrag

Der Einsatz von Ozon ist ebenfalls möglich. Ozon reagiert mit den Spurenstoffen und wandelt sie in nicht toxische Bestandteile um. Arne Wieland, Process Engineer bei Xylem Services, verdeutlicht: „Im günstigsten Fall entstehen Stoffe, die in der biologischen Stufe zu Biomasse abgebaut werden können.“ Ideal ist eine Kombination aus Ozon-Behandlung und Filtration. Ein groß angelegter Versuch in Zusammenarbeit mit einem schwedischen Umweltforschungsinstitut zeigte, dass sich damit nicht nur die Konzentration der Spurenstoffe deutlich reduzieren lässt, sondern auch Parameter wie TSS, CSB und Färbung. Xylem hat diesen Ansatz verfolgt und zum Oxelia-Prozess weiterentwickelt.

Oxelia beinhaltet ein Wedeco-Ozonsystem von Xylem, das das Gas über Keramikdiffusoren in die Wasserphase einbringt. Anschließend wird ein biologisch aktives Filtrationssystem von Leopold, ebenfalls eine Xylem-Marke, genutzt in dem entweder Filterschichten aus Anthrazit oder granulierter Aktivkohle eingesetzt werden können. Spektrale WTW-Messsonden bestimmen die Wasserqualität online und regeln den Prozess, sodass nur die erforderliche Menge an Ozon erzeugt wird.

In NRW verfolgt man die Strategie, das jeweilige Verfahren zur Reinigung von Spurenstoffen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten (Schadstofffrachten, vorhandene Technik, Platzbedarf etc.) zu wählen. Wieland verdeutlicht: „Eine Machbarkeitsstudie mit einer detaillierten Darstellung der Integration der verschiedenen Prozesskombinationen und deren Integration auf der Kläranlage sowie einer realistischen Kosten-Nutzen-Rechnung zeigt auf, welches Verfahren im Einzelfall vorteilhafter ist.“ In einem ersten großen Programm „Reine Ruhr“ wurden die Mikroverunreinigungen bewertet, wobei zwischen akuter und möglicher chronischer Gefährdung unterschieden wurde. Daraus wurde ein sogenannter Vorsorgewert als langfristiges Mindestqualitätsziel abgeleitet, der sich an dem ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable) orientiert.

Experten der einzelnen Regierungsbezirke leiten dann notwendige Maßnahmen ab. Natürlich standen dabei zunächst einmal besonders stark belastete Gewässer und die anliegenden Kläranlagen im Fokus – etwa wenn das geklärte Wasser 80 Prozent der Wassermenge des Vorfluters, einem kleinen Bach, ausmachte. Machbarkeitsstudien wurden und werden in Auftrag gegeben, die Verfahren und die dafür benötigten Investitions- und Betriebskosten einander gegenübergestellt.

In einem zweiten Projekt „Sichere Ruhr“, an dem auch Xylem Herford mitarbeitet, soll die Ruhr sicher im Hinblick auf die mikrobielle Wasserqualität gemacht werden: bei der Trinkwassergewinnung und möglicherweise auch als Badegewässer. Wasserverbände und Institute arbeiten zum einen daran, die Belastung mit Krankheitserregern zu reduzieren, zum anderen ein Prognosesystem zu entwickeln, das frühzeitig vor der Überschreitung der Grenzwerte für Badegewässer warnt. Xylem übernimmt dabei die Entwicklung von Technologien zur Eintragsminderung von Krankheitserregern und chemischer Mikroverunreinigungen, unter anderem mittels UV-Licht und Ozon aus Wedeco-Systemen.

„Die Ökologie profitiert davon auf jeden Fall“, weiß Wieland aus Projekten wie etwa in der Schweiz, die längst den Ausbau kommunaler Kläranlagen vorantreibt, um die Spurenstoffe in den Gewässern zu reduzieren. Inzwischen ist auch die Liste der NRW-Kläranlagen lang, die die Spurenstoff-Reduktion in Angriff genommen haben: von A wie Ahaus bis W wie Wuppertal. Xylem-Wedeco-Ozonanlagen stehen beispielsweise in Bad Sassendorf, Schwerte und in Duisburg-Vierlinden. Im Projekt AdOx in Köln wird eine Kombination aus Adsorption an granulierter Aktivkohle und Oxidation mittels Ozonung getestet, in Aachen testet der Wasserverband Eifel-Ruhr im halbtechnischen Projekt DemO3AC die Einbindung und Auswirkungen einer späteren großtechnischen Ozonstufe.

Wieland betont: „Von der Planung bis zur Inbetriebnahme können wir unterstützen. Und das weltweit, nicht nur in NRW. Dort sitzen wir direkt vor der Haustür. Wir stehen den Kunden auch dann noch zur Seite, wenn er den Prozess einfährt.“ Denn die Feinheiten, wie der möglichst effiziente Ozoneintrag, würden von vielen Faktoren beeinflusst, etwa dem Design des Reaktionsbehälters. „Auch die Ingenieurbüros, die für das Gesamtprojekt planerisch zuständig sind, sind bei derartigen Fragen für Unterstützung dankbar“, ergänzt der Projektingenieur.

In NRW zumindest geht es geht es rasant voran. Ozonung, Filtration und manch andere Methoden in vielen Kläranlagen werden hoffentlich in künftigen heißen Sommern dazu beitragen, dass Ruhr, Lippe und anderen Flüsse im bevölkerungsreichsten Bundesland wieder zum Baden einladen.

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