Ein Fünftel Energie in der Belebung eingespart

21.10.2020
Nach der Modernisierung zahlt die Kläranlage Bergheim 60.000 Euro weniger Strom im Jahr.
Ein Fünftel Energie in der Belebung eingespart

Mit der Kombination aus zwei Turbogebläsen und einem Schraubengebläse deckt die Kläranlage Bergheim-Kenten den Luftbedarf der Biologie besonders effizient ab. (Bildquelle: Aerzener Maschinenfabrik GmbH)

Runter mit dem Stromverbrauch um rund 20 Prozent – und damit ein Return on Investment von gerade einmal drei Jahren: Die Investition in neue Gebläsetechnik für die Belebung macht sich für den Erftverband schnell bezahlt. 2019 nahm der Wasser- und Abwasserverband in der Kläranlage Bergheim-Kenten einen Gebläseverbund aus zwei Turbos und einem Drehkolbenverdichter von AERZEN in Betrieb. Die Konstellation war das Ergebnis einer umfassenden Prozessluftanalyse im Rahmen eines AERaudits.

Es war ein Verbesserungsvorschlag der eigenen Belegschaft, der künftig bei der Kläranlage Bergheim-Kenten für weitreichende Energieeinsparungen sorgt. Als altersbedingt der Kauf neuer Gebläsetechnik ins Haus stand, nutzte das Team von Abwassermeister Ralf Herde und Betriebsingenieur Günter Breuer die Gunst der Stunde, um gemeinsam mit AERZEN ein AERaudit durchzuführen. Damit verließ der Verband die ursprüngliche Planung, die alten Aggregate lediglich durch vergleichbare Technik neueren Datums zu ersetzen. „Wir packen das Herzstück der Kläranlage an – die Luftversorgung der Biologie“, macht Günter Breuer den Stellenwert der Modernisierung klar. Gerätetechnisch steht dahinter heute eine Kombination aus zwei Turbogebläsen vom Typ AT 150-0.8S sowie einem Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid D62S.

Diese Kombination war das Ergebnis von AERaudit, dem wiederum ein dreiwöchiger Messzeitraum zugrunde lag. Ermittelt wurden unter anderem folgende Parameter: Massenströme, Temperaturen von Medien und der Umgebung, Differenzdrücke, aufgenommene Leistungen sowie die damit verbundenen Spannungen und Ströme. Hierbei setzt AERZEN mit Blick auf die Belastbarkeit der Daten zum Beispiel vor dem Frequenzumrichter der Aggregate präzise Messumformer an allen drei Phasen ein. Gleichzeitig wurde eine Volumenstrommessung installiert. Die Leistungsmessung förderte zutage, dass sich mit einer neuen Maschinenkonzeption der durchschnittliche Energiehunger von 3.590 kWh pro Tag vor der Modernisierung auf theoretisch 2.232 kWh eingrenzen lässt.

Die um einige Korrekturaspekte auf rund 20 Prozent errechnete Prognose für die Belebung erwies sich im weiteren Projekt als belastbar. Die Ist-Zahlen liegen auf der erwarteten Leistungskurve.

Gerade bei der Grundlast auf Ideallinie
Die zwei Turbogebläse von AERZEN decken die Grundlast der Kläranlage ab. Jedes Turbogebläse liefert bis zu 5.000 Normkubikmeter. AERsmart übernimmt die Koordinierung des Gebläseverbundes. Abwassermeister Ralf Herde: „Wir haben selbst nichts mit der Regelung zu tun.“

Turbo, Turbo, Delta Hybrid Drehkolbenverdichter: Der Dreiklang von AERZEN deckt heute auf ideale Weise den Luftbedarf der Kläranlage Bergheim-Kenten ab. Ideal heißt konkret, die Maschinen so zu fahren, dass sie im optimalen Betriebspunkt – also maximalen Wirkungsgrad – für Luft in der Belebung sorgen. Im Zuge der AERaudit-Bestandsaufnahme lag die geforderte Luftmenge bei 4.200 Normkubikmeter pro Becken und Stunde. Vier Belebungsbecken zählt die Kläranlage, von denen im Regelfall nur zwei belüftet werden. Die Turbos sind für 5.000 Normkubikmeter ausgelegt und können folglich die Normallast energetisch betrachtet ideal bewältigen. Liegt der Bedarf weit darunter, übernimmt der Delta Hybrid die Arbeit und die Turbos gehen als Grundlastgeräte vom Netz. Ist aufgrund hoher Außentemperatur und CSB-Fracht (Chemischer Sauerstoffbedarf) maximale Leistung gefragt, erreichen alle drei Aggregate gemeinsam 13.000 Normkubikmeter. „Unsere Erfahrung zeigt, dass wir maximal 12.000 in der Spitze benötigen. Mit dieser Maschinenkonstellation sind wir also auf der sicheren Seite“, weiß Abwassermeister Ralf Herde zu berichten.

Bedarf energetisch optimal decken
Jeder Lastwechsel hat in der Abwasserreinigung einen unterschiedlichen Luftbedarf zur Folge. In der technischen Umsetzung mündete diese Aussage in der Performance³ Strategie. Das AERZEN Maschinenportfolio bildet hier die Grundlage, um aufgrund gemessener Lastverläufe und ihres zeitlichen Anteils über einen Betriebszeitraum die passende Maschinenkombination aus Drehkolbengebläse, Drehkolbenverdichter und Turbo zu wählen.

Welches Aggregat mit welchen Leistungen schließlich mit wem gemeinsam oder auch allein für ausreichend Luft sorgt, das regelt die Verbundsteuerung AER­smart auf Grundlage der hinterlegten Maschinenkennlinien. Damit stellt AERZEN sicher, dass der Luftbedarf der Belebung immer mit der energetisch sinnvollsten Technik gedeckt wird – ohne dabei durch ständiges An- und Abschalten das Verschleißverhalten aus den Augen zu verlieren. Die effiziente Koordinierung des Verbundes übernimmt AERsmart vollkommen autark und unabhängig von der Prozessführungsebene der Kläranlage. „Wir haben selbst nichts mit der Regelung zu tun“, freut sich Ralf Herde. Der Abwassermeister arbeitet seit 20 Jahren auf der 120.000-EWG-Anlage. Sie ist damit die zweitgrößte des Erftverbandes, der auf seinem 1.900 Quadratkilometer großen Verbandsgebiet weitere 31 Anlagen betreibt und 550 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommt ein Areal von weiteren 2.300 Quadratkilometern, auf dem der Erftverband die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit dem Braunkohletagebau beobachtet und erforscht. Das Zuständigkeitsgebiet erstreckt sich damit zusammengefasst von der niederländischen Grenze bis zum Rhein und von Neuss bis nach Bad Münstereifel.

Für den Erftverband ist der Performance³ Ansatz sowie die Analyse der Betriebsdaten mit AERaudit richtungsweisend. Betriebsingenieur Günter Breuer ist davon überzeugt, dass die Ergebnisse des Modellversuchs das Potenzial haben, über das eigene Versorgungsgebiet hinaus weiter Schule zu machen. „Wir sind kein kleines Unternehmen und pflegen auf technischer Ebene den engen Erfahrungsaustausch mit Nachbarverbänden.“ Abseits der technischen Möglichkeiten moderner Gebläsetechnik sowie den Chancen einer Verbundsteuerung ist nach Ansicht von Günter Breuer der Erfolg der Modernisierung vor allem auf das Engagement seines Teams vor Ort zurückzuführen. „Es lohnt sich, genau hinzuschauen, um die großen Schrauben zu finden, an denen es sich lohnt zu drehen.“

Effizienz ist auch eine Frage der Firmenkultur
In der Kläranlage Bergheim-Kenten habe das Personal den Umbau weitgehend selbst erledigt. Das begann beim Rückbau der alten Gebläse, ging weiter über die Anpassung von Rohren und Luftleitungen sowie der Verlegung elektrischer Anschlussleitungen. Final übernahm die Mannschaft von Abwassermeister Ralf Herde auch die Einbindung der neuen AERZEN Gebläse in die Software der Kläranlagenregelung. Der Verband sparte auf diese Weise weitere 60.000 bis 100.000 Euro im Vergleich zur Fremdvergabe, heißt es im eingangs erwähnten Verbesserungsvorschlag. Günter Breuer: „In Systemen zu denken, ist eine Frage der Firmenkultur. Das ist hier gelungen. Das müssen aber auch alle wollen und mittragen. Ich bin stolz auf meine Jungs.“

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