14. OWL-Abwassertag legte Fokus auf moderne Personalpolitik für die Abwasserbranche

06.03.2024
Die Attraktivität der Abwasserbranche für Nachwuchs und Fachkräfte scheint auf den ersten Blick schwer vermittelbar, da Abwasser keine begeisternden Assoziationen weckt. Völlig zu Unrecht, wie sich auf dem 14. OWL-Abwassertag bei Jung Pumpen herausstellte.
14. OWL-Abwassertag legte Fokus auf moderne Personalpolitik für die Abwasserbranche

Fachleute, die auf dem 14. OWL-Abwassertag bei Jung Pumpen verschiedenste Ansätze zur Attraktivitätssteigerung von Unternehmen in der Wasserwirtschaft vorstellten: Rechtsanwalt für Unternehmenssanierungen Han Christian Jung, Unternehmensberater Herbert Reithmeier, Veranstaltungsleiter Marco Koch von Jung Pumpen, Professor Grüning Fachbereich Wasserversorgung und Entwässerungstechnik der FH Münster, Steuerberater für Lohnkonzepte Peter Reininghaus, Unternehmenscoach für Organisations- und Personalentwicklung Marc Jürgen, Internationales Personalmanagement Pentair Kulanda Shakirova-Haase (Bildquelle: Jung Pumpen GmbH)

Die Attraktivität ist da, sie muss nur durch die richtige Kommunikation sichtbar werden. Das gilt für die Branche an sich als auch für die einzelnen Unternehmen – Stichwort Arbeitgebermarke. Fachleute aus Wissenschaft, Recht, Personal- und Steuerwesen sowie aus der Unternehmensberatung erläuterten, mit welchen wirksamen Instrumenten sich dies umsetzen lässt.

Veranstaltungsleiter Marco Koch von Jung Pumpen eröffnete den 14. OWL-Abwassertag mit einer Geschichte: Ein Spaziergänger trifft im Wald auf einen Holzfäller, der mit einer stumpfen Säge mühsam versucht, einen Baum zu fällen. Der Spaziergänger fragt ihn: „Ihre Säge ist ja ganz stumpf. Warum schärfen Sie sie nicht?“ Der Holzfäller antwortet: „Dafür habe ich keine Zeit, ich muss den Baum fällen!“ Das interessierte Fachpublikum aus der Wasser- und Abwasserwirtschaft hatte sich an diesem Tag die Zeit genommen, um die eigenen Werkzeuge im Umgang mit dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu schärfen. Die Vorträge der Fachleute präsentierten nicht nur spannende neue Instrumente, sondern auch Strategien, um vorhandene Werkzeuge effektiver zu nutzen. Die Kernaussage lag dabei in der Erhöhung der Unternehmensattraktivität und der wirkungsvollen Kommunikation sowohl intern als auch extern. Hier gibt es viele Wege, die zum Ziel führen:

Attraktiv durch Sinngebung - Ausbildungsanreize
Prof. Dr.-Ing. Helmut Grüning von der FH Münster betont die Aufgabe von Bildungseinrichtungen, nicht nur der Hochschulen, junge Menschen über wichtige Bereiche wie Wasser- und Abwasserinfrastruktur zu informieren. Frühzeitiges Bewusstsein für die Funktionsweise der Welt und die erforderlichen Fähigkeiten zur Erhaltung oder Mitgestaltung schafft Orientierung bei der Suche nach einer sinnstiftenden Ausbildung und späteren Berufstätigkeit. Das Wissen, an Schlüsselstellen im Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels oder der Stadthygiene mitzuwirken, steigert die Attraktivität einer Ausbildung in der Wasserwirtschaft erheblich. Professor Grüning bietet sowohl für Grundschulkinder als auch für Studierende passende Angebote an seinem Lehrstuhl für "Wasserversorgung und Entwässerungstechnik". Spezielle Besuchstage mit interaktiven Präsentationen, wie einer Augmented Reality Sandbox zur Veranschaulichung des Verhaltens von Regenwasser, begeistern Schülerinnen und Schüler. Zudem gibt es eine Orientierungsphase für Absolvent/innen von weiterführenden Schulen, die herausfinden wollen, ob ein MINT-Studium das Richtige für sie ist.

Attraktiv durch Mitarbeitermotivation
Unternehmenscoach Marc Jürgen betont die zentrale Rolle der Mitarbeitermotivation bei der Steigerung der Attraktivität von Unternehmen. Um diese zu erhöhen, stellt er die Fragen: Für wen soll das Unternehmen attraktiv sein? Was charakterisiert die Zielgruppe? Was ist ihnen wichtig? Ein genauer Blick auf verschiedene Generationen, insbesondere die aktuelle Generation Z (Geburtsjahrgänge 2000-2010), ist dabei hilfreich. Angehörige dieser Generation sind (in Deutschland) behütet aufgewachsen und ihre Schul- und Freizeit war eher durchorganisiert. Sie sind Digital Natives, ihre Welt ist vernetzt und kommunikativ, digitale Anwendungen beherrschen sie intuitiv und schnell. Sie sind Individualisten und gewohnt, nach ihrer Meinung gefragt und in Entscheidungen mit einbezogen zu werden. Motivierende Faktoren, die die Attraktivität von Unternehmen für diese Zielgruppe steigern, sind Vernetzungsmöglichkeiten, Teamarbeit, Wertschätzung, Anerkennung, positives Vorgesetztenverhalten, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie flexible Arbeitszeiten. Diese Argumente sollten breit kommuniziert werden, um ihre anziehende Wirkung zu entfalten.

Attraktiv mit cleveren Lohnkonzept-Lösungen
Peter Reininghaus vom Lohnkonzept Netzwerk Bielefeld präsentierte clevere Lohnoptimierungsmöglichkeiten als Instrument zur Steigerung der Unternehmensattraktivität. Diese Lösungen werden häufig übersehen, obwohl sie vom Kleinstbetrieb bis zum Konzern sowie für Kommunen und öffentliche Einrichtungen umsetzbar sind. Dabei spielt die Unternehmensgröße keine Rolle. Die Lohnkonzept-Lösungen erfolgen mit Hilfe steuer- und/oder sozialversicherungsfreien Lohnbestandteilen, was zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten und einem spürbar höheren Nettoeinkommen für die Belegschaft führt – eine Win-Win-Situation. Unternehmen können aus über 50 Optionen attraktive Benefits für ihre Mitarbeitenden auswählen, wobei in der Praxis nur eine Handvoll Lösungen einfach umsetzbar sind. Es gilt, die passenden Bausteine für den jeweiligen Betrieb zu finden, die nicht nur für Mitarbeitende einen Mehrwert bieten. Auch für den Arbeitgeber müssen Verwaltung und Umsetzung schlank und transparent sein. Beliebte Benefits in Handwerksbetrieben sind beispielsweise die Unternehmenskarte, Internet-Kostenzuschüsse, Fahrtkostenzuschüsse, Erholungsbeihilfen und Aufmerksamkeiten. Durch begleitende Kommunikation kann eine starke Arbeitgebermarke aufgebaut werden, indem die gewährten Vorteile z.B. in Social-Media-Kampagnen oder Personalanzeigen hervorgehoben werden. Indem man Gutes für die Mitarbeitenden tut, wird das Unternehmen gleichzeitig für neue Talente attraktiv.

Attraktiv durch zufriedenes Personal – Mitarbeiterbefragung
Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden bildet die Grundlage für motiviertes Arbeiten und die gemeinsame Verfolgung unternehmerischer Ziele. Diese Zufriedenheit hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter z.B. das Betriebsklima, die Digitalisierung, Weiterbildungsmöglichkeiten und der Führungsstil. Die anonyme Mitarbeiterbefragung ist ein effektives Instrument zur Identifizierung möglicher Unzufriedenheitsquellen. Herbert Reithmeir von der DLS Unternehmensberatung hat viele solcher Befragungen begleitet. Aus seiner Erfahrung ist der Erfolg jedoch davon abhängig, dass Auftraggeber die Ergebnisse akzeptieren und notwendige Veränderungen umsetzen wollen. Eine sorgfältige Vorbereitung, Auswahl der Fragen, frühzeitige Ankündigung und ausreichend Zeit für die Teilnahme sind entscheidend. Transparenz bei der Präsentation der Ergebnisse und die aktive Einbindung der Mitarbeitenden in Lösungssuche und Überwachung von Veränderungen sind entscheidend. Diese Einbindung fungiert nicht nur zur Beseitigung von Schwachstellen, sondern stärkt auch die emotionale Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen. Je nach Betriebsgröße sowie Ziel und Umfang der Befragung kann es sinnvoll sein, zusätzlich mit Berater/innen von außen zusammenzuarbeiten.

Attraktiv durch Sichtbarkeit
Pentair ist ein weltweit agierender US-amerikanischer Wassertechnologiekonzern, zu dem auch Jung Pumpen gehört. Kulanda Shakirova-Haase, aus dem internationalen Pentair Personalmanagement, stellte einige bewährte Vorgehensweisen für die Personalrekrutierung des Konzerns in Europa am Beispiel der Niederlande vor. Die Herausforderung bei der Gewinnung von neuem Personal für ein internationales Unternehmen liegt darin, lokale Gegebenheiten zu verstehen und vor Ort aktiv zu werden. Dies beinhaltet z.B. die Bereitstellung eines Budgets für das Sponsoring lokaler sozialer Initiativen, an denen bestehende Mitarbeiter aktiv teilnehmen und so als Botschafter für das Unternehmen fungieren können. Betriebsbesichtigungen, Informationsveranstaltungen für Schulklassen, Kundengruppen, Presse und interessierte Bürger erhöhen die Sichtbarkeit und Attraktivität. Aktive Teilnahme an Karrieremessen, Projektkooperationen mit lokalen Bildungseinrichtungen und die Nutzung von sozialen Medien und Jobbörsen tragen ebenfalls zur Reichweitensteigerung bei. Nach erfolgreicher Rekrutierung ist ein effektives Onboarding entscheidend, um einen strukturierten Einstiegs- und Entwicklungsplan für jeden Mitarbeitenden bereitzustellen und umzusetzen. Eine aktive Willkommenskultur sowie ein Mix aus Herausforderung und Förderung trägt dazu bei, dass Mitarbeitende dem Unternehmen treu bleiben und ihre Zufriedenheit nach außen tragen.

Attraktiv durch Arbeitszeitkonzepte
Rechtsanwalt Han Christian Jung stellte die 4-Tage-Woche in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Die Implementierung dieses Konzepts kann die Attraktivität eines Unternehmens steigern, erfordert jedoch die Beachtung rechtlicher Grundlagen des Arbeitszeitgesetzes. Es gibt drei mögliche Arbeitszeitmodelle: 1. Vier Tage Arbeit bei reduzierter Arbeitszeit und angepasstem Lohn, 2. reduzierte Arbeitszeit bei gleichem Lohn, oder 3. die Arbeitsstunden des freien Tages werden auf die restlichen vier Tage aufgeteilt. Es ist zu beachten, dass die tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden pro Werktag nicht überschritten werden darf (was bei einer 40-Stunden-Woche aufgeteilt auf 4 Tage automatisch Überstunden ausschließt). Eine elektronische, aufbewahrungssichere und nachträglich nicht mehr veränderbare Arbeitszeiterfassung ist hierfür erforderlich und wird zukünftig gesetzlich vorgeschrieben. Eine vertragliche Festlegung und Verankerung in einer Betriebsvereinbarung sind für die Umsetzung der 4-Tage-Woche unabdingbar. Tarifvertragliche Regelungen sollten im Vorfeld überprüft werden. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert eine präzise Abstimmung auf das jeweilige Unternehmen hinsichtlich der Regelung von Pausen sowie von Krankheits-, Urlaubs- und Feiertagen. Mit einer sorgfältigen Umsetzung und klugen Kommunikation kann die 4-Tage-Woche sicherlich als Attraktivitätsfaktor dienen.

Fazit
Genau wie Produktmarken durch gezielten Aufbau eine hohe Marktnachfrage generieren, können auch Unternehmen individuelle Arbeitgebermarken entwickeln. Die Kunst besteht darin, die individuelle Attraktivität des eigenen Unternehmens zu erkennen, zu steigern, weiterzuentwickeln und effektiv nach innen und außen zu kommunizieren. Im Rahmen des diesjährigen OWL-Abwassertages wurden verschiedene Instrumente präsentiert, die dabei hilfreich sind. Das Ziel ist, von einer passiven zu einer aktiven Position zu gelangen, um Nachwuchs und Fachkräfte anzuziehen und langfristig zu binden. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ein durchdachter Masterplan. Dieser sollte auf einer gründlichen Analyse des Istzustandes basieren, indem die Stärken des Unternehmens erkannt und über diverse Kanäle offensiv kommuniziert werden. Gleichzeitig ist es wichtig, Schwächen zu identifizieren und notwendige Veränderungen anzugehen. Dieser strategische Prozess kann sich über mehrere Jahre erstrecken, bis sich die Arbeitgebermarke erfolgreich etabliert hat.

Finanzielle Förderung von Unternehmensberatungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
In diesem Zusammenhang ist das Bundesprogramm für die Förderung von Unternehmensberatungen für KMU interessant. Ziel ist es, die Erfolgsaussichten, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Beschäftigungs- und Anpassungsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken. Um dies zu erreichen können sich Unternehmen von qualifizierten Beraterinnen und Beratern zu allen wirtschaftlichen, finanziellen, personellen und organisatorischen Fragen der Unternehmensführung beraten lassen. Die entstehenden Kosten werden durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss durch das Förderprogramm reduziert. Mehr Informationen dazu gibt es auf der BAFA-Webseite.

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