Wilo: Podiumsdiskussion im Rahmen des OEM-Forums 2011

01.02.2012

„Marktdurchdringungsstrategien regenerativer Wärme“ war das Thema einer hochkarätigen Podiumsdiskussion mit führenden Vertretern aus Industrie, Verbänden, Forschung und Politik. Veranstalter war der Dortmunder Pumpenhersteller Wilo.

Wilo: Podiumsdiskussion im Rahmen des OEM-Forums 2011

Im Mittelpunkt des „OEM-Forums 2011“ von Wilo stand das Thema Solarthermie. Thomas Merscheim, OEM Manager Deutschland der Wilo SE, konnte rund 90 Teilnehmer begrüßen. (Foto: Wilo)

Er hatte die Teilnehmer im Rahmen seines „OEM-Forums“ Anfang Dezember 2011 in das Dortmunder Pullman Hotel eingeladen. Bei diesem jährlichen Treffen steht der Austausch der Heizungsbranche zu aktuellen Themen bei Heizungstechnik, solarthermischen Anlagen und Wärmepumpen im Mittelpunkt. Thomas Merscheim, OEM Manager Deutschland bei Wilo, konnte rund 90 Teilnehmer begrüßen. Zur thematischen Einführung betonte er, dass die Solarthermie einen wichtigen Beitrag zur von der Politik angestrebten Energiewende leisten könne. Bisher bleibe sie aber sowohl bei der aktuellen Geschäftsentwicklung als auch bei Prognosen hinter dieser Erwartung zurück.

Aktuelle Perspektiven und Förderoptionen

Hier knüpften namhafte Experten im Rahmen einer Podiumsdiskussion an. Zunächst fassten drei Teilnehmer ihre Standpunkte in kurzen Stellungnahmen zusammen. Den Anfang machte Dipl.-Ing. Carsten Kuhlmann (Viessmann), Leiter der Arbeitsgruppe Solartechnik im Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V. (BDH). Er beleuchtete die Rolle der regenerativen Energien im Wärmemarkt, die noch nicht zufriedenstellend sei. Er wies zugleich auf die wichtige Funktion von Förderinstrumenten der öffentlichen Hand hin. Aktuell seien – so Kuhlmann – nur 12 Prozent der 19,5 Mio. Wärmeerzeuger nicht nur effizient, sondern werde zumindest teilweise mit erneuerbarer Energie wie Biomasse, Solarthermie etc. betrieben. Im Gebäudebestand rechnet sein Verband zurzeit mit etwa 1,5 Mio. thermischen Solaranlagen. Für eine schnellere Marktdurchdringung haben aus Sicht des BDH Maßnahmen Priorität, die das Modernisierungstempo steigern. Bei der Modernisierung gehe es darum, den Anteil von regenerativer Energien oder von Kombinationen fossiler Wärmeerzeugung – vor allem Gasbrennwerttechnik – mit Solarthermie zu erhöhen. Um dies zu erreichen, müsse es neben dem Marktanreizprogramm und der KfW-Förderung zusätzlich auch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Modernisierer geben.

Nachhaltige Marktentwicklungsstrategie

Wie Dipl.-Ing. (FH) Helmut Jäger (Solvis) anschließend betonte, benötigt die Solarwärme eine nachhaltige Marktentwicklungsstrategie. Der 2. Vorsitzende des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) bezifferte die „Solarisierungspotenziale“ des deutschen Immobilienbestandes. Hier gebe es Flächen von rund 2,4 Mrd. Quadratmeter, die solar genutzt werden können. Im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser seien je nach Kollektorfläche 30 bis 70 Prozent der Dachflächen geeignet. Der BSW habe ein forciertes Expansionsszenario auf Basis einer durchschnittlichen Kollektorfläche von 13 qm erarbeitet. Diese Anlagengröße sei auf etwa 55 Prozent der Dachflächen realisierbar. Damit könne man bis 2030 eine Solarisierungsquote von 75 Prozent erreichen. Mittelfristiges Ziel sei es auch, die Anlagenpreise zu senken und die Kette zum Endkunden zu optimieren. Als Stichworte nannte er unter anderem alternative Herstellungsprozesse sowie eine zunehmende Standardisierung und Vereinfachung der Unterkonstruktion zur schnelleren Montage. Ergänzend können verbesserte Speichertechnologien die solaren Deckungsbeiträge verbessern. Insgesamt erwartet der BSW starke Veränderungen in der Branchenstruktur und empfiehlt den Marktteilnehmern, sich proaktiv darauf einzustellen.

Steuerentlastungen oder Konjunkturprogramm?

Auf die politischen Optionen bei der Unterstützung der Solarthermie ging anschließend André Stinka ein. Der Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfraktion für Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz verwies zunächst auf eine Vielzahl weiterer Herausforderungen für die Landespolitik im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. So sei beispielsweise der Gebäudestand in seinem Bundesland teilweise „hoffnungslos überaltert“. Auch gebe es rund 300.000 Heizkessel, die älter als 29 Jahre sind. Zugleich betonte er die Notwendigkeit, Solarthermie gezielt einzusetzen. Denn – so Stinka – die Abhängigkeit des Heizungsbereichs von fossilen Brennstoffen müsse reduziert werden. Daher haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag unter anderem ein Programm „1 Million Solarthermiedächer“ verabschiedet. Die anhaltenden Diskussionen um ein Bundesprogramm zur finanziellen Unterstützung energetischer Optimierungen hätten sich aber als Umsetzungshemmnis erwiesen. Er stellte allerdings klar, dass durch die vorgesehenen Steuerbefreiungen den Ländern Geld fehlen würde. Diese Mittel würden aber in NRW für einen verfassungsgemäßen Haushalt benötigt. Vor diesem Hintergrund plädierte er stattdessen für ein Konjunkturprogramm, das Effekte für die mittelständische Bauwirtschaft bringe.

„Politisch induzierte Abwartehaltung“ bei Investitionen?

Den drei Stellungnahmen folgte eine lebhafte Diskussionsrunde. Die Moderation übernahm die Energiejournalistin Bärbel Epp. Weitere Experten auf dem Podium waren Dipl.-Phys. Gerhard Stryi-Hipp, Leiter des Bereichs Energiepolitik beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und Dipl.-Ing. Ralf Köbbemann-Rengers, Leiter Forschung und Entwicklung Solartechnik bei der Bosch Thermotechnik GmbH.

Die Teilnehmer widmeten sich dabei zunächst vor allem der Frage nach der sinnvollsten Fördervariante. Dabei hoben die Verbandsvertreter zunächst hervor, dass die aktuelle Fördersituation ein großes Hemmnis für die Solarthermie ist. Problematisch sei vor allem – so Carsten Kuhlmann (BDH) – seitens der Bundesregierung steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten anzukündigen, wenn man dies nicht kurze Zeit später umsetzen könne. Hintergrund: Die Bundesregierung hatte im Mai 2011 zunächst eine steuerliche Förderung für energetische Wohngebäudesanierungen auf den Weg gebracht, die dann aber vom Bundesrat gestoppt wurde. Die erste Sitzung des Vermittlungsausschusses Ende November 2011 blieb ohne Ergebnis.

Helmut Jäger (BSW) verwies vor diesem Hintergrund auf das Problem einer „politisch induzierte Abwartehaltung“ der Gebäudeeigentümer: „Die Leute wollen investieren, wenn endlich die Fragezeichen aufgelöst werden.“ Er ging zudem auf das mehrfach geäußerte Argument der Landespolitik ein, dass neue Abschreibungsmöglichkeiten zu Steuerausfällen führen. Nach Berechnung der Verbände entstehen – so Jäger – unter dem Strich keine Steuerausfälle, da es auf der anderen Seite auch Mehreinnahmen, beispielsweise im Bereich der Gewerbesteuer gebe. Vor diesem Hintergrund appellierte er an den anwesenden SPD-Fraktionssprecher stellvertretend für die gesamte Landespolitik aller Bundesländer, eine schnelle und bundeseinheitliche Lösung zu unterstützen.

Bevorzugung der Photovoltaik?

André Stinka (SPD NRW) nannte als weiteren Aspekt, dass die Förderung von regenerativer Wärmeerzeugung im Vergleich zur Stromerzeugung aus regenerativen Energien zu lange hinten angestanden hab. Auch dies habe zu einer wachsenden Zurückhaltung bei Solarthermie geführt.

Diesen Punkt griff Moderatorin Bärbel Epp auf und zitierte einen aktuellen Beitrag in einem führenden Medium der Photovoltaikbranche. Dort wurde unter dem provokativen Titel „Solarthermie vor dem Untergang?“ eine Verdrängung der solarthermischer Warmwassersysteme durch die Photovoltaik thematisiert. Eine der Kernthesen sei hier gewesen, dass die solare Stromerzeugung in Verbindung mit Wärmepumpen günstiger sei als die solare Wärmeerzeugung.

Ralf Köbbemann-Rengers (Bosch) bestätigte, dass die Photovoltaik in der Tat durch Ausnutzung von Kostensenkungspotenzialen, vor allem aber durch die Förderpolitik im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) große Zuwächse erzielen konnte. Auch bei der Solarthermie müsse das noch vorhandene Kostensenkungspotenzial genutzt werden und die Technologie weiter in Richtung Wirtschaftlichkeit entwickelt werden. Dabei brauche man vor allem bei der Optimierung des Systemaufbaus Innovationssprünge. Denn hier liege ein weiteres Kostensenkungspotenzial nach dem Distributionsweg.

Solarthermie und Photovoltaik im Wettbewerb

Gerhard Stryi-Hipp (Fraunhofer ISE) äußerte in seinem ersten Diskussionsbeitrag die Überzeugung, dass beide Technologien – Photovoltaik und Solarthermie – eine große Zukunft haben. Allerdings verstärke sich die Konkurrenzsituation. Denn der Investor muss sich in der Regel entscheiden, welche Technologie er auf der verfügbaren Fläche einsetzt. Die Solarthermie habe hier den Nachteil, dass keine beliebig großen Anlagen gebaut werden können. Denn die Kollektoren müssen sich in der Nähe des Verbrauchers befinden, so dass die Anlagengröße durch den tatsächlichen Wärmebedarf begrenzt werde. Dies sei bei der Photovoltaik kein einschränkender Faktor. Auch der Kostenvergleich werde eine zunehmende Herausforderung. Er empfahl der Solarthermiebranche vor diesem Hintergrund eine sehr ambitionierte Herangehensweise im Hinblick auf die in den nächsten zehn Jahren realisierbaren Kostensenkungspotenziale. Hinzu komme, dass die Marktsituation der regenerativen Energien im Wärmemarkt zunehmend mit der Entwicklung der Energiepreise in Relation verknüpft sei.

Ralf Köbbemann-Rengers (Bosch) ging anschließend noch einmal auf die unterschiedliche Förderpolitik bei Photovoltaik und Solarthermie ein. Die Einspeisevergütung für solar erzeugten Strom führe dazu, dass der Investor mit seiner Anlage „Geld verdient“, während er mit der solaren Wärme „nur“ spart. Zudem gebe es viele Hausbesitzer, die als erstes in eine Photovoltaikanlage investieren, um noch vor der jährlichen Absenkung von einem höheren Vergütungssatz zu profitieren. Eine ineffiziente alte Heizung bleibe dann aber erst einmal weiter in Betrieb.

Helmut Jäger (BSW) verwies allerdings in diesem Zusammenhang auf ein schlechter werdendes Image und ein rückläufiges Marktvolumen der Photovoltaik vor allem im Privatbereich. Denn inzwischen habe sich herumgesprochen, dass diese Anlagen von allen anderen Stromverbrauchern über die EEG-Umlage mitfinanziert werden. Demgegenüber habe der starke Energiepreisanstieg für Öl und Gas im Jahr 2011 wieder zu einer höheren Nachfrage bei Solarwärme geführt. Er prognostizierte zudem einen deutlich wachsenden Ergänzungsmarkt, d.h. Nachrüstung bestehender Heizungsanlagen mit einem zusätzlichen Solarthermiesystem.

Carsten Kuhlmann (BDH) betonte, dass gleichwohl das Gros der neu installierten Solarwärmeanlagen davon abhängig ist, dass ein bestehender Wärmeerzeuger ausgetauscht oder ein neuer eingebaut wird: „Ohne Modernisierung keine Solarisierung“. Entscheidend sei daher auch, dass im Moment der Modernisierung möglichst automatisch über Solarthermie nachgedacht wird. Er begrüßte vor diesem Hintergrund, dass viele Handwerksunternehmen die Solarthermie bereits automatisch mit anbieten.

Modernisierungsstau durch Gaspreisumlage auflösen?

Auf das Renewable Heat Incentive-(RHI-)Programm der britischen Regierung wies Ralf Köbbemann-Rengers (Bosch) hin. Hier wird die Erzeugung regenerativ erzeugter Wärme in Großanlagen vergütet. Zusätzlich ist geplant, Zuschüsse für privat errichtete Anlagen zu zahlen. Die Kosten sollen dort zukünftig auf den Gaspreis umgelegt werden. Er empfahl, den britischen Markt vor diesem Hintergrund im Auge zu behalten.

Helmut Jäger (BSW) ergänzte in diesem Zusammenhang, dass von Verbandsseite bereits ein ähnliches Modell für Deutschland erarbeitet und der Politik vorgelegt wurde. Es beinhaltet eine Umlage von lediglich 0,16 Cent pro Kilowattstunde, was rund ein Zwanzigstel der EEG-Umlage sei. Dennoch könne man hiermit ein Finanzierungsvolumen von 1,2 Mrd. Euro zur Auflösung des Modernisierungsstaus und für Investitionen in erneuerbare Energien generieren.

Wie wird die Solarthermie aus Kundensicht attraktiver?

Mit Blick auf die Zukunft warf Gerhard Stryi-Hipp (Fraunhofer ISE) die Frage nach der weiteren Rolle der einzelnen regenerativen Energien auf. Für die Photovoltaik gebe es seitens der Bundesregierung die klare Zielsetzung, bis 2020 mindestens 50 Gigawatt Stromerzeugungskapazitäten zu erreichen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen müsse die Solarthermie aus Sicht des Endkunden noch attraktiver werden. Dabei könne man von der Photovoltaik lernen. Deren Strategie sei gewesen, die anfangs sehr große Lücke zur Wirtschaftlichkeit von vornherein durch entsprechende Förderprogramme schließen zu lassen. Die Solarthermie habe sich demgegenüber in den vergangenen Jahren eher so positioniert, dass die Anlagen bereits annähernd wirtschaftlich seien. Daher habe man sich mit Anreizen wie Investitionskostenzuschüssen zufriedengegeben, was aber bisher nicht für den erhofften Marktdurchbruch ausgereicht habe. In diesem Sinne rief er die Marktteilnehmer auf, sich für eine noch stärkere Unterstützung durch die Politik – Zuschüsse, Umlagemodelle oder auch eine Verpflichtung zur Solarwärmenutzung – einzusetzen. Bei der Kundenansprache müsse zudem möglichst exakt beziffert werden können, welchen Ertrag eine bestimmte Anlage bringt. Dies sei im wettbewerbsintensiveren Photovoltaikmarkt bisher deutlich besser gelungen.

Carsten Kuhlmann (BDH) plädierte abschließend für mehr Selbstverständlichkeit der Solarthermie. Wenn diese – auch durch entsprechende Aktivitäten des Handwerks – zu einem Standard-Bestandteil jeder Heizungsanlage werde, wäre dies auch ein ganz entscheidender Schritt zu mehr Attraktivität. Denn die Erfahrung zeige, dass sich der Absatzanteil solarthermischer Anlagen bei denjenigen Handwerkern stetig nach oben bewege, die diese Technologie bereits automatisch in ihre Angebote einbeziehen.

Quelle: WILO SE

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