Fachartikel: Im Zerrspiegel von Nennleistung und Service-Faktor

04.09.2017

Bei der Auswahl von Vakuumpumpen streben die Anlagenplaner oft danach, mit der geringstmöglichen Nennleistung der Antriebsmotoren auszukommen. Sie wollen auf diese Weise Strom sparen. Wenn es aber um die tatsächliche Energieeffizienz geht, kann die Kilowatt-Angabe auf dem Typenschild durchaus in die Irre führen.

Denn die Nennleistung des Motors spiegelt nur sehr bedingt den wirklichen Stromverbrauch wider. Zur weiteren Verwirrung trägt der „Service-Faktor“ bei, der auf manchen Typenschildern angegeben wird und die tatsächliche Nennleistung relativiert. Seine Bedeutung wird oft missverstanden. Die höchstmögliche Energieeffizienz lässt sich nur durch eine systemische Analyse erreichen.

Die entscheidenden Größen für die Auswahl einer Vakuumpumpe sind Enddruck und Saugvermögen. Von ihnen hängt es ab, welches Vakuumniveau in welchem Zeitraum erreicht wird, welche „Vakuumleistung“ also in der Anwendung zur Verfügung steht. Vergleichbare Leistungsstufen können mit Vakuumpumpen unterschiedlichster Funktionsprinzipien erreicht werden, dabei können auch die Drehzahlen stark differieren. Dies wird etwa an der Motordrehzahl deutlich: Eine Drehschieber-Vakuumpumpe, die derzeit am weitesten verbreitete Vakuumtechnologie, erreicht mit rund 1.000 min-1 eine ähnliche Vakuumleistung wie eine ölgeschmierte Schrauben-Vakuumpumpe mit bis zu 7.000 min-1.

Nennleistung ≠ Stromverbrauch

Beim Blick aufs Typenschild kann ein weiterer Unterschied zutage treten: Eine Schrauben-Vakuumpumpe kann zum Beispiel eine geringere elektrische Nennleistung ausweisen als eine Drehschieber-Vakuumpumpe. Ein häufiger Fehler bei der Auswahl von Geräten besteht nun darin, von der Nennleistung auf den Stromverbrauch zu schließen. Der Motor mit der kleineren Zahl vor der kW-Angabe verbraucht aber keineswegs unbedingt weniger Strom als der „größere“ Antrieb. In der Praxis ist nicht selten sogar genau das Gegenteil der Fall. Auf manchen Typenschildern wird die tatsächliche Nennleistung zudem durch den „Service-Faktor“ verschleiert. Der auf die Nennleistung verengte Blick blendet die Effizienz der Vakuumpumpe und des Motors aus.

Das Verhältnis zwischen Stromverbrauch und abgegebener Leistung (Wellenleistung / shaft power) ist bei Elektromotoren nicht linear. Sie erreichen ihr Leistungsoptimum meist irgendwo zwischen 50 und 100 Prozent ihrer Nennleistung. Man kann im allgemeinen von einem mehr oder weniger breiten Bereich um 75 Prozent der Nennleistung als der idealen Leistungs- bzw. höchsten Effizienzstufe ausgehen. Unterhalb dieses Bereichs verbraucht der Motor also im Verhältnis zur erbrachten Leistung mehr Strom, der relative Stromverbrauch steigt.

Irreführender „Service-Faktor“

Das gilt auch für ein Überschreiten des optimalen Bereichs, wobei auch mehr als 100 Prozent der Nennleistung möglich sind. Hier kommt der Service Factor (SF) ins Spiel. Er ist von der US-amerikanischen National Electrical Manufacturers Association im Handbuch NEMA MG1-2011 als Standard definiert. Der Service-Faktor wird auf dem Typenschild angegeben. Er gibt an, bis zu welchem Grad man einen Motor über die Nennleistung hinaus belasten kann. Um den Grad der erlaubten Überlastung zu berechnen, wird die Nennleistung mit dem SF-Wert multipliziert. Wird zum Beispiel eine Nennleistung von 15,0 kW mit einem Service-Faktor von SF 1.25 angegeben, beträgt die maximal zulässige Nennleistung 15 x 1,25 = 18,75 kW. Sie liegt also um 25 Prozent höher, als auf den ersten Blick zu sehen.

Zwar weist die NEMA darauf hin, dass der SF-Bereich nur vorübergehend genutzt werden sollte, doch in der Praxis der Vakuumerzeugung wird er häufig für den Normalbetrieb mit einkalkuliert. Denn das schnelle Hochfahren der Vakuumpumpe aus dem Standby-Modus oder kurze Lastspitzen, selbst wenn sie in schnellem Takt regelmäßig erreicht werden, können als „vorübergehende“ Überlastung verbucht werden. Die ohne einkalkulierten Service-Faktor relativ niedrige Nennleistung suggeriert einen niedrigen Stromverbrauch. Doch ist die tatsächlich genutzte Leistung nicht nur höher, sondern der Motor arbeitet im SF-Bereich in der Regel auch deutlich außerhalb seines Effizienzoptimums. Die regelmäßige Überlastung kann zudem seine Lebensdauer verkürzen.

Realer Stromverbrauch im Test

Um die reale Energieeffizienz verschiedener Vakuumpumpen tatsächlich vergleichen zu können, müssen Stromverbrauch und Leistungsabgabe in der Praxis gemessen werden. Einen solchen Vergleich haben hat der Vakuumpumpenhersteller Busch zwischen einer drehzahlgeregelten und ölgeschmierten Schrauben-Vakuumpumpe eines anderen Herstellers mit der angegebenen Nennleistung 15 kW und einem Service-Faktor von SF 1,25 und einer Drehschieber-Vakuumpumpe aus dem eigenen Lieferprogramm mit der auf dem Typenschild gestempelten Nennleistung von 18,5 kW durchgeführt. Der Test ergab, dass der Stromverbrauch des nach Nennleistung „kleineren“ Motors im Hauptlastbereich fast doppelt so hoch war wie die des Vergleichsmodells. Die mit niedriger Drehzahl arbeitende Drehschieber-Vakuumpumpe erreichte trotz ihres „größeren“ Motors eine wesentlich bessere Energieeffizienz.

Schlussbetrachtung

Die Gesamteffizienz einer Vakuumversorgung erfordert eine komplexere Betrachtung als nur den Vergleich der Energieverbräuche. Neben dem Enddruck und dem Saugvermögen einer Vakuumpumpe oder -anlage muss auch das Funktionsprinzip, ob ölgeschmiert oder trocken verdichtend, eingehend bewertet und dessen Kompatibilität mit dem Prozess geprüft werden. Aber auch der Aufstellungsort, die Steuerung oder die Verbindung zwischen Prozess und Vakuumerzeugung können Parameter sein, die Einfluss auf die Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit einer Vakuumversorgung haben. Die richtige Auswahl und Auslegung ist oft nur zusammen mit einem ausgewiesenen Vakuumspezialisten möglich. Ein Hauptaugenmerk sollte dabei aber immer der kritischen Betrachtung des tatsächlichen Energieverbrauchs gelten.

Bild: Praxisvergleich einer drehzahlgeregelten ölgeschmierten Schrauben-Vakuumpumpe mit der Nennleistung 15 kW / SF 1,25 und einer Drehschieber-Vakuumpumpe mit der Nennleistung 18,5 kW: Der Pumpenmotor mit der niedrigeren Nennleistung verbraucht im wichtigsten Arbeitsbereich um 10 mbar deutlich mehr Strom als der „größere“ Motor der Drehschieber-Vakuumpumpe. (Foto: klartext: von pekker!)

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